Der Vorstand tritt ans Mikro und alle halten gespannt den Atem an: Wie werden die Vorstandsmitglieder auf das zurückliegende Jahr blicken? Sind sie zufrieden? Und dann kommt es ganz dicke: Die Ziele konnten nicht erreicht werden, die Transformation hin zum zukunftsfähigen Global Player stockt. Und woran liegt es? Nicht an fehlendem Geld. Nicht an zu wenig Personal oder Machtkämpfen in der Führungsetage. Nein. Es ist das Mindset, schlussfolgert der Vorstand in seiner Ansprache. 

Der Arbeitgeber geht den Mitarbeitenden ans Mindset

Tatsächlich ist es zum Trend geworden, die Verantwortung für den Unternehmenserfolg und eine gelungene Organisationskultur auf die Belegschaft abzuschieben. Wer nicht performt, der hat die falschen Glaubenssätze; funktionieren Projekte nicht, ist es der mangelnde Einsatz, das fehlende Engagement der Mitarbeitenden. Damit stehlen sich die Organisationen selbst aus der Verantwortung. Die sagenumwobene Rolle des Mindsets in Unternehmen ist ein Mythos, den Christina Grubendorfer und Christina Ackermann in ihrem Ratgeber „The Real Book of Work“ aufdecken und bis ins Detail analysieren. 

Verhalten ist kontextbezogen

Sie nutzen dafür als Analogie ein Fußballspiel. Wenn wir als Zuschauende nur den Schiedsrichter sehen und die Spielenden selbst sind unsichtbar, macht für uns das Handeln des Schiedsrichters gar keinen Sinn. Erst wenn wir den Kontext – die Spielenden – betrachten, verstehen wir ihn. Und so, schließen die beiden Organisationsberaterinnen, ist auch das Verhalten von Mitarbeitenden extrem kontextabhängig. „Sie spielen E-Commerce, Handel, Logistik oder Finanzdienstleistungen und sie spielen Arbeiter-Samariter-Bund, Bundesbank oder Zalando“, so die Autorinnen. „Dort spielen sie dann Marketing, Vertrieb, Produktion, HR oder Finanzen und manchmal auch Weekly, Daily oder Jahrestagung.“ 

Niemand käme in Entscheidungsprozessen oder in Projektplanungen ernsthaft auf die Idee, sein Verhalten daraufhin abzuklopfen, ob es zu den persönlichen Wertvorstellungen und Glaubenssätzen passt. Ja, du kannst dich persönlich einem nachhaltigen Lebensstil verschrieben haben, aber trotzdem wird die Abteilung den Kaffeevollautomaten kaufen.

Es wäre interessant, aber nicht zielführend, das Team von der Anschaffung einer Siebstempelkanne überzeugen zu wollen. Du denkst in diesem Moment wie auch deine Kolleg*innen im unternehmerischen Kontext. Mitarbeiter*innen „zeigen das Verhalten, von dem sie meinen, dass es von ihnen erwartet wird, ein Verhalten, das sie in ihrer Rolle als passend empfinden, ein Verhalten, das ihnen einen guten Stand bei den Kollegen beschert“, fassen es Christina Grubendorfer und Christina Ackermann zusammen. 

Das Buzzword „New Work“, agile Organisationen, raus aus den Silos und mehr Eigenverantwortung bitte: Insgesamt neun Mythen durchleuchten die Autorinnen, auf deren Entmystifizierung folgen dann acht Short Dives. Die zeigen, wo Organisationen wirklich Veränderungen bewirken können und was die eigentlichen Spielfelder von Führungskräften und Mitarbeitenden sind.  

Roter-Reiter-Fazit

Erfrischend! Christina Grubendorfer und Christina Ackermann kommen in diesem Ratgeber schnell auf den Punkt, und vor allem kommen sie ohne einen großen Überbau an Methoden und Trendbegriffen aus. Ein spannendes Buch für Führungskräfte und alle, die an der Gestaltung von Organisationen mitwirken.

Christina Grubendorfer, Christina Ackermann: The Real Book of Work. Organisationen in Not. Warum wir umdenken müssen, um sie in die Zukunft zu führen
Vahlen, 2023
368 Seiten, 29,80 Euro

ISBN 978-3-8006-7154-0

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