Keinhorn – und das ist gut so

Dienstag, November 24, 2020 Businesstrends

„Einhorn“ wird ein Start-up genannt, das vor dem Exit mit mindestens einer Milliarde US-Dollar bewertet wird. Es ist der Traum eines jeden Gründers, die Idee für ein Start-up zu haben, das diesen Erfolg hat – die Wahrscheinlichkeit ist jedoch ähnlich gering wie ein Lottogewinn. Auch Julian Leitloff verfolgte viele Jahre lang dieses Ziel und war auf der Suche nach dem geheimen Erfolgsrezept von Branson und Jobs. Über seine Erfahrungen und seinen Weg durch die deutsche Start-up-Szene schrieb er nun gemeinsam mit dem Journalisten Caspar Tobias Schlenk ein Buch.

Aus der Statistik gefallen

Julian Leitloff hatte mit 22 Jahren gemeinsam mit seinem besten Freund Raoul die Idee zu seinem ersten Start-up: Stilnest produzierte Schmuck im 3-D-Drucker, made in Germany.  Mit dieser Gründung kam er auf die Forbes-Liste der „30 unter 30“ – aber ein Einhorn wurde Stilnest nicht. In „Keinhorn“ erzählt er seine Geschichte und lässt dabei auch die schlechten Seiten nicht weg.

Seinen Beweggrund für das Buch erklärt er mit dem sogenannten Survivorship-Bias, der Verzerrung zu Gunsten Überlebender. Diese kognitive Verzerrung verschleiert beispielsweise, wie unwahrscheinlich es ist, als Schriftsteller – der Überlebende – Erfolg zu haben, denn die vielen Tausende nicht-erfolgreichen Schriftsteller sind einfach nicht sichtbar. Leitloff überträgt dieses Phänomen mit diesem Beispiel auf die Start-Up-Szene: „Der Überlebende erzählt die Geschichte und bestimmt die Statistik.“

Kein Zuckerschlecken: Leben und Arbeiten für ein Start-up

Und so träumen viele Gründer von einem Einhorn wie Airbnb, Uber oder WeWork. Was dabei aber verloren geht, sind die „Geschichten der ganz normalen Gründerinnen und Gründer, die für ihren Job brennen wie nur wenige andere Menschen in diesem Land“, erklärt Julian Leitloff, „die Jahr für Jahr Menschen einstellen und sich verausgaben, um ihrem Traum nur ein kleines Stückchen näher zu kommen. Die dabei oft nicht erkennen, dass sie mit ihrem selbstbestimmten Leben den Traum bereits leben – und jeder zukünftige Gründer von ihnen so viel lernen kann.“

Diese Lücke möchte der Unternehmer nun schließen und erzählt die Geschichte seiner Gründungen, die nie Einhörner hervorbrachten und trotzdem erfolgreich waren. Die Einblicke sind sehr persönlich, er nimmt uns mit zu dem Moment, in dem er seinen besten Freund entlassen musste, Investoren ihm den Jahresurlaub kürzten und die Beziehung zu seiner Freundin auf der Kippe stand.

Dabei lernt man auch die deutsche Start-up-Szene kennen, die von einem Höher-Weiter-Schneller und dem Überbieten der Wochenarbeitszeit geprägt ist, die aber laut Leitloff in den vergangenen Jahren auch erwachsener und professioneller geworden ist. Genauso wie der Unternehmer selbst.

Im letzten Teil seines Buches zeigt Leitloff, wo er heute steht. Er ist CEO und Gründer des Blockchain-Start-ups Fractal und kann dort seine Erkenntnisse aus früheren Gründungen einbringen. Kein Einhorn, aber ein erfolgreiches Unternehmen. Und die Frau hat er auch bekommen.

Roter-Reiter-Fazit

Julian Leitloff gibt Einblicke in das Leben eines jungen Gründers und in die deutsche Start-up-Szene und – Überraschung – es ist nicht alles Gold, was glänzt. Der Unternehmer macht anderen mit seiner Geschichte Mut und zeigt, wie man glücklich sein kann, auch wenn man nicht das nächste Einhorn gründet.

Julian Leitloff, Caspar Tobias Schlenk: Keinhorn. Was es wirklich heißt, ein Start-up zu gründen
Campus Verlag,
295 Seiten, 22 Euro
ISBN 9783593512549

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