• Mitten in der Altstadt von Berchtesgaden befindet sich die Säcklerei von Familie Aigner.
    Mitten in der Altstadt von Berchtesgaden befindet sich die Säcklerei von Familie Aigner.
  • Wie der Vater, so der Sohn. Sogar ausgebildet wurde der Junior vom Herrn Papa.
    Wie der Vater, so der Sohn. Sogar ausgebildet wurde der Junior vom Herrn Papa.
  • Bis zu 600 Exemplare werden jedes Jahr von Papa, Sohn und acht Mitarbeitern angefertigt.
    Bis zu 600 Exemplare werden jedes Jahr von Papa, Sohn und acht Mitarbeitern angefertigt.
  • 1. Schritt: Das Zuschneiden des Hirschleders. Diese Arbeit übernehmen die Chefs persönlich.
    1. Schritt: Das Zuschneiden des Hirschleders. Diese Arbeit übernehmen die Chefs persönlich.
  • 2. Schritt:
    2. Schritt:
  • 3. Schritt: Mit einer Entenfeder und Gummi arabicum - dem Pflanzensaft der Akazie - wird das Muster der Stickerei vorgezeichnet.
    3. Schritt: Mit einer Entenfeder und Gummi arabicum - dem Pflanzensaft der Akazie - wird das Muster der Stickerei vorgezeichnet.
  • 4. Schritt: Anschließend wird es mit feinster Maulbeerseide aufgestickt. In typischem Berchtesgadener Hellgrün.
    4. Schritt: Anschließend wird es mit feinster Maulbeerseide aufgestickt. In typischem Berchtesgadener Hellgrün.
  • 5. Schritt:
    5. Schritt:
  • 6. Schritt: Wenn die Stickerei fertig ist, wird das Innenleder mit dem Bapp angeklebt.
    6. Schritt: Wenn die Stickerei fertig ist, wird das Innenleder mit dem Bapp angeklebt.
  • Wenn der Kleber das Leder fixiert hat...
    Wenn der Kleber das Leder fixiert hat...
  • ... wird anschließend mit der Maschine drüber genäht.
    ... wird anschließend mit der Maschine drüber genäht.
  • 7. Schritt: Nähte zurechtschneiden und die Hirschhorn-Knöpfe annähen und fertig ist sie: Die original Aigner-Lederhose.
    7. Schritt: Nähte zurechtschneiden und die Hirschhorn-Knöpfe annähen und fertig ist sie: Die original Aigner-Lederhose.
  • Je nach Region unterscheiden sich die Hosen in Schnitt, Stickerei und Farbe.
    Je nach Region unterscheiden sich die Hosen in Schnitt, Stickerei und Farbe.

Es gibt sie nur noch selten. Um genau zu sein, sind es fünf an der Zahl: Echte bayrische Lederhosenmacher. Zwei davon sind Engelbert Aigner Senior und Junior. In Berchtesgaden besitzen sie ihre eigene kleine Lederhosen-Manufaktur. Aus feinstem Hirschleder werden hier „schneidige Lederhosn“ gefertigt – in echter Handarbeit. Wir haben die beiden Engelberts besucht und uns mal zeigen lassen, was echte bayrische Buben und g’standene Mannsbilder um die Oberschenkel tragen..

Magst Du dich kurz vorstellen?

Ich bin der Engelbert Aigner, 27 Jahre alt und komme aus dem schönen Berchtesgaden. Unserer Familie gehört hier das Trachtengeschäft und die Lederhosen-Manufaktur „Aigner“. Seit elf Jahren bin ich jetzt schon Säckler, also Lederhosenmacher. Und im Frühjahr habe ich meine Meisterprüfung gemacht.

BeFunky_VintageColors_15.jpgWie lange seid ihr Engelbert Aigners schon damit beschäftigt, aus Hirschleder „schneidige Lederhosn“ zu zaubern?

Unser Geschäft hat mein Vater Engelbert Aigner vor 25 Jahren gegründet. Die erste Lederhose hat er damals bei uns zuhause im Keller angefertigt. Er hat also klein angefangen, damals mit nur einer einzigen Mitarbeiterin. Er hat schnell gemerkt, dass seine Lederhosen gut ankommen bei den Leuten. Seinen ersten Laden hat er nach fünf Jahren dann in Bischofswiesen, einem Vorort von Berchtesgaden, aufgemacht. Das lief von Anfang an sehr gut. Denn  mein Vater macht schon seit vielen Jahren Volksmusik und ist dadurch sehr viel unterwegs. Von der Steiermark bis in die Schweiz. Durch die vielen Auftritte – „natürlich in Lederhosn“ – hat er viele Kunden gewonnen, die Ihre Hirschlederne heute ausschließlich bei uns kaufen. Und seit eineinhalb Jahren sind wir jetzt hier in Berchtesgaden.

Mal ehrlich: Hat dein Vater dich dazu überredet, Säckler zu werden? Oder hast du von alleine in die Lederhose gefunden?

Von alleine nicht ganz. Aber eigentlich hatte ich den gleichen Antrieb wie damals mein Vater: Ein Handwerk lernen! Mir war immer klar, dass ich einen Beruf erlernen will, bei dem ich etwas mit meinen Händen schaffen kann. Und bei dem ich Kontakt zu vielen Menschen haben kann. Ich habe meinem Vater schon als Kind begeistert über die Schulter geschaut und ihm in der Werkstatt geholfen. Außerdem sind wir eine sehr traditionelle Familie. So wie mein Vater, mache auch schon seitdem ich ein kleiner Junge bin „Volksmusi“ – also keine volkstümliche Musik sondern echte „Volksmusi“. Wir sind quasi in die Lederhose reingeboren! Nächstes Jahr steigt mein jüngster Bruder auch mit ein.

Wo um Himmels Willen kann man das Säckler-Handwerk heute noch lernen?

Bei meinem Vater! Einer der fünf letzten Lederhosenmacher in Bayern, die Lederhosen noch mit der Hand machen. Die Ausbildung zum Säckler dauert insgesamt drei Jahre – zur Hälfte praktisch im Betrieb, zur anderen Hälfte in der Berufsschule. Den theoretischen Teil habe ich an der Schneiderschule in Rosenheim erlernt – das war eine schöne Zeit: Lauter Mädels aus Südbayern und ich als einziger Junge. Und das praktische Handwerk hat mir mein Vater in seiner Werkstatt beigebracht.

Beim eigenen Vater in die Lehre gehen, hat es da nicht ab und zu mal kräftig was auf die Lederhosen gegeben?

„Naa!“ Aber meine Kumpels haben auch gleich gesagt: „Spinnst du? Bei deinem Vater? Das geht niemals gut!“ Aber es klappt seit elf Jahren bis heute echt gut. Dadurch, dass wir seit meiner Ausbildung nicht mehr unter einem Dach wohnen, hat das Arbeiten zusammen in einer Werkstatt zum Glück immer funktioniert.

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Ihr sagt zur Lederhose auch „Hirschlederne“. Ist das tatsächlich alles Hirsch?
Alles nicht, aber die Lederhose an sich besteht tatsächlich aus echtem, sämisch gegerbtem Hirschleder. Sämischgerbung heißt, dass die Leder mit Tierfett eingerieben werden und so schön geschmeidig werden. Anschließend werden sie dann dunkel gefärbt. Das Innenfutter ist aus Schafs- oder Ziegenleder. Die Knöpfe an der Hose werden aus Hirschhorn hergestellt. Und auch der Faden, mit dem die Stickerei gemacht wird, ist aus einem natürlichen Material: Feinste Maulbeerseide. Daher auch der edle Glanz. Der Kleber, mit dem der Besatz erst fixiert wird, bevor er genäht wird, ist aus Roggenmehl. Das bekommen wir vom Bäcker gegenüber. Einfach Roggenmehl und kochendes Wasser verrühren und man hat den perfekten Natur-Kleber! Gäbe es für Kleidung ein Bio-Siegel – unsere Lederhose hätte es auf jeden Fall verdient!

Wie kommt ihr an das Hirschleder ran?

Es gibt zwei verschiedene Hirschleder-Arten, die zum Lederhosenmachen verwendet werden: Die eine kommt aus Neuseeland, die andere aus dem Alpenraum. Das Leder, das wir verwenden, kommt hier aus der Gegend, bzw. aus der Alpenregion in Österreich oder der Schweiz. Nachdem die Hirsche geschossen wurden, kommen die Leder erst zum Gerber. Und dann verarbeiten wir sie zu Lederhosen. Jedes Jahr bekommen wir circa 600 Hirschleder aus denen dann Hosen werden.

Wie viel Arbeit macht so eine handgefertigte Lederhose?

Vom Zuschnitt des Leders bis zur endgültigen Fertigstellung dauert es ca. 1-2 Wochen. Je nach Stick-Aufwand. Also 20-60 Stunden stecken schon in jeder Hose. Dabei ist die Stickerei der aufwendigste Schritt von allen. Auch an der Stickerei erkennt man den Wert der Hose: Je feiner die Stiche, desto hochwertiger die Lederhose.

Für Nicht-Bayern wie mich: Wie sieht die beliebteste, bayrische Lederhose aus?

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Eine der beliebtesten Lederhosen in Bayern ist tatsächlich die Berchtesgadener Lederhose. Sie wird vor allem im südostbayrischen Raum getragen. Man erkennt nämlich an jeder guten Lederhose, wo sie oder ihr Träger herkommt. Jede Region hat da ihre eigenen Vorlieben. Unsere aus Berchtesgaden ist aus dunklem Leder und mit hellgrüner Stickerei. Außerdem hat sie einen schlanken, schneidigen Schnitt. Ist also ein bisschen flotter als andere. Die Österreicher tragen lieber Lederhosen mit gestepptem Muster. Im bayrischen Oberland, zum Beispiel in Rosenheim, trägt man eher Lederhosen mit gelber Stickerei.

Wie sieht’s mit Extrawünschen von Kunden aus? Gibt’s manchmal bestimmte Wunschaufträge, die ihr anfertigt?

Ja, die gibt’s. Wir achten schon darauf, dass die Lederhosen, die wir fertigen, auch der Tradition treu bleiben. Aber letztens kam zum Beispiel ein Sechziger Fan zu uns und wollte, dass wir ihm – statt der normalen Stickerei – den blauen Sechziger Löwen auf die Hose sticken. Das haben wir dann schon gemacht. Wir versuchen, möglichst alle Wünsche zu erfüllen.

Was magst Du am Lederhosenmachen am liebsten?

Dass ich etwas herstellen kann. Dass ich abends was in die Hand nehmen kann und dann zufrieden sagen kann: Das hab ich heute gemacht. Und auch der Kontakt zu verschiedenen Menschen – wie auch jetzt gerade – das macht mir sehr viel Spaß.

Was magst Du gar nicht?

Der viele Schreibkram ist nicht so mein Ding.

Wie sieht ein ganz normaler Arbeitsalltag bei Dir aus?

Der ganz normale Wahnsinn? Der beginnt meist um 8 Uhr in der Früh. Erst wird geschaut, was alles zu tun ist und dann fängt jeder mit seiner Aufgabe an. Wir haben insgesamt 16 Mitarbeiter, wobei zehn Leute die Lederhosen fertigen. Dabei hat jeder seinen ganz eigenen Bereich. Mein Vater und ich sind vor allem fürs Zuschneiden der Lederhosen verantwortlich. Das Schöne ist, dass doch jeder Tag anders aussieht, obwohl man immer die gleiche Arbeit macht. Meist wird bis „6 Uhr auf’d Nacht“ gearbeitet.

Meine letzte Frage: Trägst Du tatsächlich jeden Tag Lederhosen?

„Ja, scho!“ Am Anfang der Lehre hab ich mir auch gedacht: Ich zieh doch jetzt nicht jeden Tag Lederhosen an! Ich habe das immer bei meinem Vater gesehen und dachte mir: Meins ist das nicht. Und dann kam‘s mit dem Beruf von ganz alleine. Heute trag ich sie gern. Sie taugt mir einfach, weil sie auch viel robuster ist, als eine Jeans.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Engelbert Junior für das nette Interview und bei der ganzen Familie Aigner für den interessanten Einblick in dieses außergewöhnliche Handwerk und die bezaubernde Werkstatt in Berchtesgaden. Ich werde wiederkommen. Und dann kaufe ich meine erste Berchtesgadener Lederhose. Versprochen!

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Text: Lena Riedmann

Bilder: Roter Reiter, Lederhosen Aigner