Anfang des 17. Jahrhunderts stand der französische Bäckerlehrling Claude Gellée in der Backstube, um den Teig für Brote vorzubereiten. Was er vergaß, war die Butter. Also versuchte er, die Butter in den bereits fertigen Teig einzukneten. Gesagt, getan. Das Ergebnis war der weltweit erste Blätterteig. Viele Menschen würden dem Lehrling wohl für seinen Fehler danken, man denke nur an den Duft von frischen Croissants.

Dass Mitarbeitende in Unternehmen ähnlich Furioses entdecken, wenn sie einen Fehler machen, ist eher unwahrscheinlich. Und trotzdem können Fehler in Arbeitsroutinen sehr wichtig und wertvoll sein. Diese Sicht auf Fehler ist nicht zuletzt produktiv – verhindern kann man sie sowieso nicht. Was genau eine positive Fehlerkultur in Unternehmen bewirken kann, zeigt Hans-Jürgen Kratz in seinem Ratgeber „Aus Fehlern wird man gut“.

Raus aus der Negativspirale

In unserer Kultur werden Fehler überwiegend negativ bewertet: Etwas ist falsch, jemand hat etwas nicht geschafft, es gibt einen Grund zum Schämen. So ist es nicht verwunderlich, wenn Fehler möglichst versteckt werden, die betroffene Person sich rausreden möchte oder den Fehler sogar einer anderen Person in die Schuhe schiebt.

„Fehler werden als Zeichen der Schwäche eingeordnet und bei höherer Fehlerrate werden dem Fehlerverursacher entweder Unvermögen, eine geringe Intelligenz, mangelhafte Sorgfalt oder sogar Sabotage unterstellt“, sagt Kratz. Die Negativspirale, die in vielen Organisationen noch immer Realität ist, ist endlos: Jeder Mitarbeiter versucht perfekt zu wirken, es gibt den Druck, Fehler unbedingt zu vermeiden oder zu vertuschen, um bei den Führungskräften nicht an Ansehen zu verlieren.

Eine solche negative Fehlerkultur hat enorme Auswirkungen auf das Arbeitsklima, die Zusammenarbeit in Teams und die Leistungsfähigkeit sowie Innovationskraft in Unternehmen. Denn: Wo Angst vor Fehlern herrscht, wird sich kaum jemand mit neuen, risikobehafteten Ideen nach vorne wagen. Es gilt also, die Einstellung zu fehlerhaftem Verhalten zu überdenken.

Die Chance im Fehler entdecken

Kratz stellt in seinem Ratgeber zunächst die Merkmale einer destruktiven Fehlerkultur dar, um dann den Gegenentwurf zu machen. Für ihn ist klar, dass Führungskräfte in Vorleistung gehen müssen: Nur wenn Mitarbeitende sich wertgeschätzt und sicher fühlen, sind sie auch bereit, volle Leistung zu erbringen, Dinge neu zu denken und sich für die Ziele des Unternehmens einzusetzen.

„Ohne Vertrauen, Mut und Risikobereitschaft bewirkt ein Vorgesetzter nur ein Minimum des Möglichen“, sagt der freie Trainer. Wer Angst davor hat, Fehler zu machen, weil dann die Abmahnung oder andere Arten von Abstrafungen warten, macht nur Dienst nach Vorschrift, um ja kein Risiko einzugehen. Eine konstruktive Fehlerkultur ist in eine offene, achtsame Organisationskultur eingefasst, die Missstände klar benennt, um Ursachen auszumachen und gemeinsam an diesen zu arbeiten. „Bei genauer Betrachtung sind Fehler tatsächlich Störfälle – und exakt in diesen Störungen liegt ihr Wert“, sagt Kratz. „Sie erschüttern den Status quo und öffnen neue Wege, die ohne den Fehler verborgen geblieben wären.“

Roter-Reiter-Fazit

Hans-Jürgen Kratz macht in seinem neuen Buch deutlich, wie wichtig eine positive, konstruktive Fehlerkultur in zukunftsfähigen Organisationen ist: Nur wo es Mut und keine Angst vor Fehlern gibt, kann Neues entstehen.

Hans-Jürgen Kratz: Aus Fehlern wird man gut. Warum Irren menschlich ist und was Führungskräfte daraus lernen können
Metropolitan Verlag, 2021
160 Seiten, 14,95 Euro

ISBN 978-3-96186-052-4

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