Es ist schon länger klar: Deutschland ist kein Innovationsweltmeister. Das zeigte bereits 2019 eine Bertelsmann-Studie, in der mehr als 1.000 Unternehmen aus dem Industrie-Dienstleistungsverbund zu ihren innovationsrelevanten Merkmalen und ihrem Innovationserfolg befragt wurden. Ergebnis: Nur ein Viertel der Unternehmen verfügte über die nötige Innovationskompetenz und -kultur, um ihre Wettbewerbsposition langfristig zu sichern. Und nahezu die Hälfte der befragten Organisationen hat es in den vergangenen Jahren verpasst, ihr Innovationsprofil an neue Bedingungen anzupassen.

Und wie machen es andere (besser)?

Wen das nicht wundert, ist Gundula Gwenn Hiller. Sie ist ausgewiesene Expertin zu den Themen Interkulturalität und Diversität und sagt, dass ein „Großteil der ‚neu‘ auf den Markt kommenden Produkte nur eine kompliziertere Version von etwas bereits Vorhandenem“ ist. Immer mehr Features verkomplizieren das Ganze, und egal ob Auto, Handy oder Kleidung, die Produkte haben eine immer kürzere Lebensdauer, so Hiller.

Ihr Lösungsvorschlag: Lasst uns nach Indien schauen. Dort leben viele Menschen in großer Armut und sind darauf angewiesen, das Beste aus dem zu machen, was da ist – und das ist nicht viel. Dafür gibt es ein Wort in Hindi: Jugaad. Es bedeutet, innovative Lösungen auf komplexe Herausforderungen im Alltag zu finden und dabei möglichst wenig Ressourcen zu benötigen. Für eine nachhaltige Gestaltung unserer Welt ist dieses Prinzip sehr viel wert, denn es kann zum Innovationstreiber werden und Produkte sowie Systeme schaffen, die ohne Rücksicht auf den Profit einen wirklichen Mehrwert haben.

Embrace: Wenig Kosten – hoher Nutzen

Ein Beispiel ist der Embrace-Babywärmer, der bereits vielen Kindern in ärmeren Ländern das Leben gerettet hat. Dort fällt auch in Metropolen immer wieder für längere Zeit der Strom aus, weshalb Inkubatoren für Früh- und Neugeborene auch immer wieder ausfallen. Das Start-up Embrace entwickelte eine Art Wärme-Schlafsack, der mit Akku betrieben werden kann.

Eine spätere Version kann mit heißem Wasser warmgehalten werden. Diese Innovation ist nicht nur kostengünstiger und in Entwicklungsländern finanzierbar, der Schlafsack ist im Gegensatz zum Inkubator auch mobil. Hier zeigt das Prinzip Jugaad, was es kann, wenn wir offen für flexible, neuartige Lösungen von Problemen sind. „Vielleicht haben wir uns in den letzten Jahren viel zu sehr auf unsere Brainpower verlassen“, sagt Gundula Gwenn Hiller. „Im Bauch, bzw. metaphorisch gesehen im Herzen, sitzen Leidenschaft, Intuition und Empathie.“

Roter-Reiter-Fazit

In ihrem Buch „Was wir von anderen Kulturen lernen können“ stellt Gundula Gwenn Hiller weitere Kulturtechniken, Weisheiten und Prinzipien aus aller Welt vor, die wir für einen nachhaltigere Wirtschaft und Welt nutzen können.

Gundula Gwenn Hiller: Was wir von anderen Kulturen lernen können.
Für neue Perspektiven auf uns und die Welt.
GABAL Verlag, 2022
208 Seiten, 25 Euro

ISBN 978-3-96739-115-2

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