Zu Besuch bei der Raumpsychologin Susanna Leiser
Susanna Leiser hat Psychologie und Sozialpädagogik studiert, lange als Drogenberaterin und Familientherapeutin gearbeitet. In Frankfurt hat sie eine Klinik geleitet – ein sicherer Job mit viel Verantwortung und guter Bezahlung. Und dennoch dachte sich Susanna Leiser: Das ist alles nicht das, was ich wirklich machen möchte. Sie nahm sich ein Jahr eine Auszeit und stieß über Umwege, Zufälle und ein bisschen Glück auf eine Beschäftigung, die sie heute als ihren Traumberuf bezeichnet: Die Arbeit als Raumpsychologin.
Wollen Sie sich kurz vorstellen?
Mein Name ist Susanna Leiser, ich bin 53 Jahre alt und lebe in München. Seit 24 Jahren bin ich selbständig und entwickle Raumerscheinungsbilder für Unternehmen.
Was sind eigentlich Raumerscheinungsbilder? Was muss man sich darunter vorstellen?
Raumerscheinungsbilder visualisieren die Identität eines Unternehmens. Architektur, Innenarchitektur, Kunst, Farbgestaltung, Licht, dekorative Inszenierung haben in ihrem Zusammenspiel die Aufgabe, eine differenzierte und komplexe Unternehmens-Charakteristik zu visualisieren. Das Raumerscheinungsbild definiert und motiviert das Unternehmen sowohl nach außen wie nach innen.
Wie kamen Sie zu dieser Arbeit? Sie wollten ja eigentlich Sport studieren, hab ich gelesen?
Das stimmt, aber dann kam alles doch ganz anders.
Statt Sport habe ich Psychologie und Sozialpädagogik studiert und verschiedene therapeutische Ausbildungen gemacht. Während meiner Ausbildung in systemischer Familientherapie hatte ich ein Schlüsselerlebnis. Mir wurde zum ersten Mal klar, dass es eine Wechselwirkung zwischen Raum und Mensch gibt. Genauso wie wir Räume beeinflussen, beeinflussen Räume uns. Die Entdeckung der Wechselwirkung zwischen Mensch und Raum fand ich dann aber so spannend, dass ich mich seitdem mit diesem Thema beschäftige.
Das hatte aber zunächst keine beruflichen Konsequenzen. Ich habe 10 Jahre als Therapeutin gearbeitet und zuletzt in Frankfurt eine psychosomatische Klinik geleitet. Dann habe ich ein Jahr Arbeitspause eingelegt, mit der Idee mich neu zu orientieren.
Da habe ich dann, für mich sehr überraschend, angefangen zu malen. Damit stieg mein Bedürfnis, überdimensional große Bilder zu malen. Das habe ich einem befreundeten Innenarchitekten erzählt. Seine Antwort war: „Ich hab gerade in Schwabing eine 200 qm Wohnung gemietet, da kannst du dich austoben!“ Ich bin noch in der gleichen Nacht in die Wohnung gefahren und habe angefangen die Wände zu bemalen. Das war unglaublich toll! Die Entdeckung einer neuen Leidenschaft.
Dann hatte ich sehr viel Glück quasi „entdeckt worden zu sein“. Ein Mitarbeiter der Werbeagentur Scholz & Friends in Hamburg sah die bemalten Räume in Schwabing. Wie aus dem nichts hatte ich meinen ersten Auftrag: die künstlerische Gestaltung dieser Werbeagentur in Hamburg.
Und wie haben Sie sich dann zu einer „Raumpsychologin“ weiterentwickelt?
Das hat dann wieder einige Zeit gedauert. Ich habe ein paar Jahre nur Wandbemalungen gemacht und Raumkunstkonzeptionen für Unternehmen entwickelt. Raumkunst ist ein intensiver Austausch mit Architektur, Innenarchitektur und Licht. Hier ist mir in Gesprächen mit Architekten und Vorständen von Unternehmen aufgefallen, mit wie wenig Bewusstheit Unternehmen gestaltet werden. Die Ästhetik, was gefällt einem Einzelnen, steht häufig im Vordergrund. Ich habe mir damals oft gedacht: Würden die Unternehmenslenker wissen, was sie mit Ihrer architektonischen und Innenarchitektonischen Gestaltung aussagen, sie würden sich mit Sicherheit in Grund und Boden schämen. Gestaltung ist ein direkter Hebel für Mitarbeiter und Kundenzufriedenheit. Gezielte Gestaltung ist ein sehr effizientes Werkzeug Veränderungsprozesse in Unternehmen aktiv zu unterstützen und motivierend zu beschleunigen.
Tja und dann habe ich beschlossen mich dem Thema der bewussten und zielgerichteten Gestaltung, der Entwicklung von Raumerscheinungsbildern voll zu widmen.
Sie haben bereits sehr viele Projekte betreut. Welches war die größte Herausforderung? Welches hat Sie am meisten begeistert? Und welches hat am meisten Nerven gekostet?
Grundsätzlich ist natürlich jedes neue Projekt eine große Herausforderung.
Ich würde sagen: Je höher der Anspruch des Kunden, umso interessanter das Projekt. Ich liebe die Kunden, die die Besten sein wollen und dafür auch Einsatz bringen. Da fühle ich mich am wohlsten. Ich will mich anstrengen müssen. Ich will herausgefordert sein.
Anstrengung kosten Unternehmen deren Unternehmenskultur von einer phlegmatischen Gleichgültigkeit untersetzt ist. Das gibt es leider auch. Unmotivierte Menschen kosten sehr viel Kraft.
Die Gestaltung der Lagerhallen des Pharmagroßhandels Sanacorp war mit Sicherheit eine sehr große Herausforderung, eine schwierige und komplexe Aufgabe. Auf dieses Projekt bin ich besonders stolz. Ich würde dieses es als eine Meisterleistung der Farbpsychologie bezeichnen. Hier ist es mir in perfekter Weise gelungen die Konzentrationsleistung beim Kommissionieren zu erhöhen und die Fehlerquote erheblich zu reduzieren.
Im Moment entwickle ich das Raumerscheinungsbild für das Klinikum St. Elisabeth Straubing. Das ist für mich ein sehr faszinierendes und besonderes Projekt, da es auf der Führungsebene eine enorme Kompetenz und unternehmerische Weitsicht gibt. Die Ansprüche an Qualität sind sehr hoch. Kompetenz und Qualität zu visualisieren ist also eine der Gestaltungsaufgaben. In den Bereichen, die bereits umgestaltet sind hat man nicht das Gefühl in einem Krankenhaus zu sein. Die Räume haben eher die Geborgenheit eines liebevoll geführten Hotels.
Wie sieht ein ganz normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?
Schwer zu sagen. Kein Tag ist wie der andere. Kein Projekt ist wie das andere. Meine Tage verlaufen unterschiedlich. Was ich auch sehr genieße.
Was ist das Geheimnis einer optimalen Raumgestaltung?
Zunächst die gelungene Raumordnung. Sie ist für die Konzentration des Raumes zuständig. Sie ist Ausdruck des klaren Denkens. Die Raumordnung schafft die Voraussetzung für die Wirkung von Farben, Materialien, Licht und sonstigen inszenierenden Elementen.
Mit welchen Materialien arbeiten Sie gerne/häufig?
Das hängt von den Inhalten ab. Jeder Inhalt erfordert andere Farben oder Materialien. Bei der Gestaltung von Unternehmen ist nicht entscheidend, was mir persönlich gut gefällt, sondern welche Materialien die Zielsetzungen der zu visualisierenden Inhalte erfüllen. Um z.B. technische Innovation zu visualisieren verwende ich andere Farben, Materialien und Formen, als wenn ich z.B. Geborgenheit und Nähe visualisieren will.
Was ist gerade bei der Gestaltung von Arbeitsbereichen zu beachten?
Unterschiedliche Arbeitsbereiche haben unterschiedliche Anforderungen und unterliegen unterschiedlichen Stressfaktoren, die es zu beseitigen gilt. Aber gehen wir einmal von einem durchschnittlichen Büroarbeitsplatz aus, wo ein Mitarbeiter zum großen Teil am Bildschirm sitzt. Als wesentlicher Gestaltungsfaktor ist die Farbe des Bodens und des Lichts zu beachten. Bei unseren klimatischen Verhältnissen ist ein warmer Farbton für den Fußboden zu empfehlen. Er erhöht den Optimismus im Raum. Dieser überträgt sich, zwangsläufig unbewusst auf die emotionale Stimmungslage des Mitarbeiters.
Es sollte sowohl ein flächiges, wie ein punktuelles, individuell zu steuerndes Licht vorhanden sein. Im idealen Fall ändert sich die Lichttemperatur. Das heißt die Lichtfarbe wird zum Abend hin wärmer. Dieser Farbwechsel hat Einfluss auf den natürlichen Biorhythmus und unterstützt so konkret die Gesundheit.
Wie könnte man schon mit kleinen Handgriffen ein Büro so gestalten, dass man sich darin wohler fühlt?
Gerade genanntes schafft eine Basis des Wohlfühlens. Jedoch haben bestimmt 80% aller Büroräume einen Boden in einem kalten Grauton und ein kaltes, blaustichiges, flächiges Licht. Der Stressfaktor der Ermüdung wird erhöht. Wir wissen, dass wir an einem sonnigen Tag besser gelaunt sind. Die Lichtreflektion eines grauen Bodens in Verbindung mit einem flächigen kühlen Licht schafft die Atmosphäre eines grauen verregneten Tages. So ist dann auch die Raumstimmung. Der Optimismus muss erarbeitet werden. Eine Verschwendung von Energie, die produktiver eingesetzt werden könnte. Hier nehmen Unternehmen ihre Verantwortung, die sie Mitarbeiter gegenüber haben nicht ernst. Außerdem entsteht auch ein hoher Energieverschleiß im betriebswirtschaftlichen Sinne. Der Spielraum der Optimierung ist leider sehr begrenzt. Versuchen Sie eine punktuelle, individuell steuerbare Tischleuchte mit warmem Licht zu bekommen.
Inwiefern wirkt sich Ihr Beruf auf Ihr Privatleben aus? Wie oft gestalten Sie Ihre Wohnung um?
Sehr! J Wenn ich nicht einen Partner hätte, der in Bezug auf häufiges Umstellen und experimentieren mit Einrichtung sehr flexibel ist, dann wäre das tatsächlich schwierig. Aber das ist eigentlich auch schon alles. Das habe ich aber auch schon gerne gemacht, bevor ich meinen jetzigen Job ausgeübt habe.
Haben Sie mit dem Job als Raumpsychologin Ihren Traumberuf gefunden?
Definitiv Ja!
Ich bedanke ich mich recht herzlich bei Frau Leiser für das interessante Interview und wünsche ihr weiterhin viel Erfolg!
Das Interview führte: Lena Riedmann
Fotos: (c) Susanna Leiser