Versicherungen. Ein Reizthema. Wenn das Fahrrad zum zweiten Mal vom Hinterhof geklaut wurde, wird die Hausratversicherung argwöhnisch, beim dritten Mal wird die Versicherung gekündigt. Und wer schon einmal einen Schadensfall an einer Immobilie und einem Fahrzeug hatte, der weiß, wie schwierig es sein kann, von der Versicherung Geld für den Schaden zu erhalten. Das Vertrauen in die eigene Versicherung ist oftmals nicht hoch.

Das US-amerikanische Versicherungsunternehmen Lemonade hat darin eine Chance gesehen. Während klassische Versicherer die Prämien der Versicherten in das Unternehmen fließen lassen, bewahrt es Lemonade nur auf. Der Clou des Geschäftsmodells ist die Auflösung eines Interessenkonflikts: Versicherungen möchten in der Regel möglichst wenig Geld an die Versicherten zurückfließen lassen, denn das schmälert das eigene Vermögen. Jeder Schadensfall wird also doppelt und dreifach geprüft, um möglichst wenig Kosten erstatten zu müssen.

Lemonade behält nur einen Fixbetrag der Prämien ein, mit dem die eigenen Kosten getragen werden. Der Großteil des Geldes wird benutzt, um Schadensfälle zu erstatten. Bleibt am Ende des Jahres Geld übrig, wird es an wohltätige Organisationen gespendet. Zudem verspricht das Unternehmen, das Schadensregulierungen mit wenigen Klicks vorgenommen werden. In diesem Geschäftsmodell spielt Vertrauen eine große Rolle: Die Kundinnen und Kunden können darauf vertrauen, dass ihre Versicherungsprämien gut angelegt werden. Und sie wissen, dass ihnen im Fall der Fälle umgehend geholfen wird.

Am Anfang der Consumer Journey steht Vertrauen

Das Geheimrezept dieses Geschäftsmodells bezeichnet Sozialpsychologe Dr. Eric Eller mit „Kontinuität, Benevolenz und Integrität“. Die Kundinnen und Kunden wissen, was (Gutes) mit ihrem Geld geschieht, das Unternehmen ist über verschiedene Touchpoints jederzeit verlässlich erreichbar und ist authentisch, denn es gesteht auch Fehler oder Schwierigkeiten ein. In seinem Buch „VertrauensArchitektur“ stellt Eric Eller neben Lemonade weitere Organisationen vor, die bereits vieles richtig machen, um das Vertrauen ihrer Zielgruppe zu erreichen. Und Vertrauen ist wichtig.

„Ohne das Vertrauen der Kund:innen bleiben wir auf unseren Produkten und Dienstleistungen sitzen“, sagt er. „Aber nicht nur das: Briefe und Newsletter bleiben ungeöffnet, Websites unbesucht, Apps und Hotlinesunbenutzt. Die Customer Journeys – also die Reisen der Kund:innen – sind zu Ende, bevor sie überhaupt angefangen hätten.“ Ein Beispiel aus dem Alltag macht das deutlich: Wenn ich nicht darauf vertrauen kann, dass die Pizza des Lieferservices immer gut schmeckt, bestelle ich dort irgendwann nicht mehr. Mit den Influencerinnen und Influencern ist eine ganze Branche entstanden, die allein auf dem Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer basiert: Wenn wir der Person auf Instagram nicht vertrauen, werden wir auch ihre Werbedeals nicht nutzen und ihre Videos nicht konsumieren.

In seinem Ratgeber stellt der Sozialpsychologe die Komponenten einer Verhaltensarchitektur vor, mit denen Organisationen, aber auch Selbstständige eine nachhaltige Kundenbeziehung aufbauen können.

Roter-Reiter-Fazit


Beraterin und Kunde, Service-Fachkraft und Käuferin oder Klientin und Anwalt: Ein sehr ansprechend gestaltetes Buch, das zeigt, dass Vertrauen in allen zwischenmenschlichen Beziehungen eine Rolle spielt.

Eric Eller: VertrauensArchitektur. Wie Vertrauen entsteht und wie Unternehmen die richtigen Kund:innenerlebnisse dafür schaffen
Vahlen Verlag, 2022
225 Seiten, 27,90 Euro
ISBN 978-3-8006-6712-3

Jetzt bei managementbuch.de bestellen.