Leadership/t – Führen, auch wenn Mitarbeitende nerven
New Work fußt auf der Annahme, dass wir uns alle offen und emphatisch begegnen. Die Vision: Endlich mit dem ganzen Wesen, der authentischen Persönlichkeit wirken. New Work – eine Bubble, wie eine große, liebevolle Familie. Und dann kommt die Realität.
Der Nörgler hat keine New-Work-Vision!
Nicht alle Arbeitnehmenden finden Scrum fantastisch und begrüßen die anstehenden Trainings. Für nicht für jede Unternehmerin ist das Glas halb voll, und sie findet immer etwas zum Kritisieren. Und dann ist da noch die Person, die so reizoffen für Optionen ist, dass sie praktisch keine geradlinige Entscheidung treffen kann, denn: Hätte, hätte, Fahrradkette.
Nun kommt die Führungskraft als Visionär um die Ecke und beherzigt alle Ratschläge, die es für Leader als Changemaker gibt: auf die Menschen zugehen, authentisch und emphatisch sein, als Vorbild inspirieren. Aber: Nicht jede Person möchte sich inspirieren lassen. Es gibt die Pessimistinnen, die Arbeitsverweigerer, die „Ab 1 macht jeder seins“-Arbeitgeber. Und hier enden viele Leadership-Visionen. Was also tun? Wie lassen sich Menschen führen, die man nicht mag?
Mit Visionen lässt sich nicht immer führen
In seinem Ratgeber „Leadership/t – Menschen führen, die Sie (noch) nicht mögen“ räumt Matthias Nöllke zunächst mit einem Mythos auf: „Eines können Sie sich schon mal aus dem Kopf schlagen: Dass Sie die Mitarbeitenden, die Sie nicht mögen, ändern, ja, dass Sie sie ,steuern können‘.“
Denn: Wir haben in den vergangenen Jahren gelernt, dass Unternehmen eben nicht wie technische Uhrenwerke funktionieren, in denen Mitarbeitende mit Werkzeugen – Tools – exakt geführt, getaktet und angeleitet werden. Schon Menschen, die sich gern ins Unternehmen einbringen wollen, lassen sich nicht gern steuern. Wie sieht es da wohl mit Menschen aus, die auch Sie als Führungskraft nicht mögen?“
Matthias Nöllke erklärt in seinem Buch, wie wir überhaupt dahin gekommen sind, die Frage nach der Führung von nicht gemochten Arbeitnehmenden zu stellen. Die Ursache liegt seiner Meinung nach in dem neuen Rollenverständnis des Leaders, der mit einer Vision die Organisation und das Team voranbringen soll. Und dabei soll er bitte seine Persönlichkeit einbringen, emphatisch und authentisch sein. Der Kommunikations- und Managementberater zeigt auf, wo dieses Leadership-Verständnis sehr schnell an seine Grenzen kommt – nämlich spätestens dann, wenn es zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden eben keinen Vibe gibt.
Back to Führungsrolle
Nöllke beruft sich hier auf das Bild des Spielens einer (Führungs-)Rolle: So wie Mitarbeitende nicht mit ihrer vollen Persönlichkeit – Beziehungsproblemen, der Urlaubs- und Familienplanung und dem Streit mit der Schwiegermutter – im Job erscheinen, machen das auch Führungskräfte nicht.
Wir alle spielen unsere Rolle als IT-Servicekraft, als Assistenz oder als Personalmitarbeiterin. Dasselbe gilt für Leader. „Die Führungsrolle ermöglicht es Ihnen, Ihre Vorbehalte und Abneigungen beiseite zu lassen und Ihre Aufgabe zu erfüllen.“ Es ist also gar nicht so wichtig, ob ich jemanden mag. „Menschen zu führen, die man nicht mag, erfordert geradezu die gegenteilige Einstellung“, sagt Nöllke: „Statt Authentizität professionelle Distanz. Wir müssen von unseren persönlichen Sympathien und Abneigungen absehen.“
Wie das gelingt und wie man im Speziellen mit Querulanten, Mimosen oder auch „Erklärbären“umgeht, zeigt Matthias Nöllke in seinem unterhaltsamen Ratgeber. Er lädt aber auch zur Reflexion ein: Wann werde ich als Führungskraft auch umgekehrt nicht von meinen Mitarbeitenden gemocht? Und wann sollte ich mein Verhalten korrigieren und wann sollte ich aber auch über der fehlenden Sympathie drüberstehen und mich auf meine Rolle als Führungskraft besinnen?
Roter-Reiter-Fazit
Ein spannendes Buch, das den Fokus auf die großen Herausforderungen des Führens legt: Menschen führen, die man gar nicht mag oder nicht versteht. Matthias Nöllke zeigt, dass Sympathien beim Führen keine Rolle spielen müssen, wenn man sich auf seine Kernaufgaben konzentriert. Wie das gelingt, stellt er unterhaltsam dar.
Matthias Nöllke: Leadership/t – Menschen führen, die Sie (noch) nicht mögen
Vahlen, 2024
162 Seiten, 24,90 Euro
ISBN 978-3-8006-7354-4