
23 Feb. Krisenkommunikation: Die richtigen Worte finden
Konzerne können gut kommunizieren, wenn die PR-Abteilung ihre Arbeit macht. Aber wenn die Krise da ist, zeigt sich, wie ein Unternehmen wirklich tickt.
Worauf es bei einer profunden Krisenkommunikation ankommt, zeigen Marco Cortesi, ehemaliger Pressesprecher der Stadtpolizei Zürich, und Kommunikationsberater Stefan Häseli in ihrem „Praxisbuch Krisenkommunikation“.
Schweigen ist nicht Gold
Bestes Beispiel für eine misslungene Krisenkommunikation ist das Dieselgate im Jahr 2015. Was war passiert? Volkswagen hatte über Jahre hinweg in Millionen von Diesel-Fahrzeugen eine Software eingesetzt, die Abgastests manipulierte. Die Autos stießen im realen Fahrbetrieb viel mehr Stickoxide aus als erlaubt. Als die US-Umweltbehörde den Betrug aufdeckte, geriet VW massiv unter Druck.
Was tut man nun in dieser Situation? Das Unternehmen entschied sich für die Lösung, zunächst gar nicht zu reagieren. VW reagierte erst, nachdem die Behörden den Skandal öffentlich gemacht hatten. Die ersten Statements waren vage und unklar. Der damalige CEO Martin Winterkorn sprach zunächst von „einigen wenigen Unregelmäßigkeiten“. Der Konzern versuchte, die Schuld auf einzelne Ingenieure abzuwälzen, statt Verantwortung zu übernehmen. Zudem wurden Informationen nur häppchenweise veröffentlicht, Kunden, Investoren und Behörden wurden lange im Unklaren gelassen.
Erst als der öffentliche Druck zu groß wurde, trat Winterkorn zurück und entschuldigte sich öffentlich. Trotzdem blieb das Unternehmen lange defensiv und versuchte, sich aus der Affäre zu ziehen. Die Folgen waren verheerend, es kam zu einem massiven Vertrauensverlust.
Authentische Kommunikation wagen
Marco Cortesi und Stefan Häseli benennen mögliche Ursachen für solche Krisen in der Kommunikation: „Früher war Kommunikation im Wesentlichen die Aufgabe der Kommunikationsabteilung, heute redet besonders bei börsennotierten Unternehmen ganz entscheidend die Legal- sowie die Compliance-Abteilung mit – ganze Heerscharen von Juristen sind beteiligt“, erklären sie. „Das Resultat ist eine langweilige und juristisch gesteuerte Information, die wenig glaubwürdig ist und nicht authentisch wirkt.“ Und wenn die Legal-Abteilung beschließt, gar nichts zu sagen, dann wird diesem Rat oftmals gefolgt.
Diese Entscheidungen gab es auch früher, aber sie sind heute nicht mehr umsetzbar. „Tempo und Erwartungen der Öffentlichkeit nehmen zu, die sozialen Medien setzen offizielle Kommunikationskanäle unter Druck, Menschen sind dünnhäutiger geworden und zeigen weniger Loyalität gegenüber einem Unternehmen, einer Partei, einer Organisation“, so die beiden Autoren. Klar: Wer nicht mitredet, über den wird trotzdem geredet.
Marco Cortesi und Stefan Häseli zeigen in ihrem Handbuch, wie Unternehmen die Krise proben, bevor sie eintritt – denn dann ist zumeist alles zu spät. Sie machen deutlich, wie wichtig Ehrlichkeit und Transparenz sind und wo strategische Überlegungen keine Rolle mehr spielen. Ob anberaumter Pressetermin, die besondere Kommunikation bei menschlichen Tragödien, die passende Bildsprache oder das psychologische Spiel von Frage und Antwort: Die Kommunikationsexperten geben praktische Tipps und Strategien an die Hand, um sich auf genau solche Situationen vorzubereiten oder in der akuten Krise ad hoc Hilfe zu erhalten.
Roter-Reiter-Fazit
Ob vor, in oder nach der Krise: Marco Cortesi und Stefan Häseli geben wertvolle Tipps für die strategische, strukturelle und psychologische Vorbereitung auf den Ernstfall. Sie zeigen, dass Krisenkommunikation kein Sprint, sondern ein Marathon ist – und auf jeden Fall möglich.
Marco Cortesi, Stefan Häseli: Praxisbuch Krisenkommunikation. Strategien für mehr Glaubwürdigkeit, Transparenz und Vertrauen
Wiley-VCH, 2025
320 Seiten, 32,99 Euro
ISBN: 978-3-527-51208-9