Interview zu Managementtrends
Ein Gespräch mit Sabine Dietrich über ihr neues Buch „Jedes Jahr eine neue Sau“.
Sie beschäftigen sich seit langem mit den unterschiedlichsten Managementtrends. Was ist denn gerade der neueste Hype?
Sabine Dietrich: Das kommt sicher auf die Perspektive an. Aber wenn ich heute in Unternehmen gehe, ist Agilität ein Thema, das überall nachgefragt wird. Und zwar unabhängig davon, ob es passt oder auch nicht. Als Projektmanagement-Methode genau wie in der Unternehmensorganisation.
Auch Design Thinking zur Ideenfindung oder Working out Loud als Methode der Kollaboration, des interdisziplinären Austauschs stehen auf der Hype-Liste für mich derzeit ganz oben.
Manchmal hat man das Gefühl, dass ein neuester Managementtrend eigentlich ein alter Hut ist – nur eben mit einem neuen Etikett versehen. Sehen Sie das auch so?
Sabine Dietrich: Na ja, zum einen dauert es sicher einige Zeit, bis neue Organisationsansätze oder auch Methoden in den Unternehmen ankommen, so dass man darum durchaus das Gefühl haben kann, dass alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird. Beleuchtet man dann allerdings die einzelnen Methoden genauer, bewahrheitet sich dieser Eindruck dann häufig.
Nehmen Sie zum Beispiel den Trend zum Agilen Projektmanagement. Agiles Projektmanagement bietet zum Beispiel in der Softwareentwicklung enorme Vorteile, stellt allerdings auch hohe Anforderungen an die Organisation. Oft wird agil auf wenige Elemente reduziert, die es bei genauer Betrachtung so schon immer gab – wenngleich unter anderem Namen.
Iteratives Arbeiten gibt es auch im klassischen PM. Und die mit den Dailies institutionalisierte Kommunikation trägt DEM Erfolgsfaktor in der Projektarbeit Rechnung – den erfahrene Projektleiter auch bisher auf unterschiedliche Weise, zum Beispiel mit täglichen Kurzmeetings, umgesetzt haben.
Warum sind Ihrer Meinung nach Unternehmenslenker und Managementverantwortliche so anfällig für immer neue Managementtrends?
Sabine Dietrich: Ich stelle aktuell eine große Verunsicherung in den Unternehmen fest. Die Digitalisierung bringt Veränderungen mit sich, die nicht umsonst mit der Erfindung des Buchdrucks gleichgesetzt werden. Dazu die KI, deren Entwicklung derzeit kaum absehbar ist.
Die regelmäßige Berichterstattung in den Medien, in denen beispielweise Deutschland als Dritte Welt-Land klassifiziert und die Angst vor den Chinesen geschürt wird, schafft eine Untergangsstimmung, die enormen Handlungsdruck auf Führungskräfte ausübt. Dann spielt sicher auch Angst mit. Die Angst der Etablierten vor dem Verlust des Erreichten oder auch der Veränderung.
Und die existenzielle Angst der „Frischlinge“. Auch weil ja immer wieder proklamiert wird, dass nur ein Bruchteil der Führungskräfte „überlebt“. Und wenn ich als Entscheider dann das tue, was alle tun, laufe ich das geringste Risiko, einen Fehler zu machen. Etiketten helfen da durchaus.
Lebt aber nicht gerade die ganze Beraterbranche davon, immer wieder neue Managementtools für ihre Kunden zu entwickeln?
Sabine Dietrich: Das ist sicher so. Gegen neue Methoden ist ja erst einmal auch gar nichts einzuwenden. Denn Neu- oder Weiterentwicklung ist nicht nur sehr hilfreich, sondern in vielen Bereichen auch zwingend nötig. Schade nur, wenn es häufig wie „Des Kaisers neue Kleider“ erscheint, indem Bekanntes umetikettiert wird.
Problematisch wird es meines Erachtens immer dann, wenn eine Methode, ein neues Managementtool zum Allheilmittel erklärt wird – und Unternehmen das unreflektiert übernehmen. Unabhängig von der zu lösenden Herausforderung, den Unternehmenswerten oder auch der Unternehmenskultur.
Was empfehlen Sie Ihren Kunden? Sollte man nicht einfach bei Managemententwicklungen auch auf gesunden Menschenverstand und das Bauchgefühl setzen?
Sabine Dietrich: Auch, aber bitte nicht ausschließlich. Das würde eine nachhaltige Weiterentwicklung eines Unternehmens im Gegenteil sicher behindern. Vielmehr empfehle ich meinen Kunden unbedingt, erst einmal den Handlungsbedarf zu identifizieren und das zu erreichende Ziel zu fixieren. Und eine Entscheidung dann mit einem objektiven Blick herbeizuführen, dabei immer wieder zu prüfen, inwiefern die Veränderung zum Unternehmen, seiner Kultur und seinen Werten passt.
Wenn also ein Unternehmen beispielsweise bisher nach Gutsherren-Art geführt wurde und alle plötzlich selbstorganisiert arbeiten sollen (ja, das gibt es!) kann das nur zum Scheitern verdammt sein.
Sie haben ein Buch mit dem vielsagenden Titel „Jedes Jahr eine neue Sau“ geschrieben. Worum geht es darin? Wer sollte Ihr Buch lesen?
Sabine Dietrich: Mein neues Buch liegt mir ganz besonders am Herzen. Denn Unternehmen müssen sich angesichts der Anforderungen der VUCA-Welt verändern – und dass nicht, indem sie jedes Jahr eine neue Veränderung, quasi eine neue Sau, durchs Managementdorf treiben. Sondern indem sie verantwortungsbewusst, mit Mut und Souveränität agieren.
Ich möchte mit meinem Buch Unternehmer, Manager, Entscheider und all die, die etwas verändern wollen, inspirieren, aus der Treibjagd um die neuen Methoden, die Veränderungen auszubrechen.
In diesem Sinn beleuchte ich die Ursachen und Hintergründe des Methodenwahns und liefere Impulse und konkrete Lösungen für einen souveränen Weg zur Veränderung von Unternehmen – anwendbar für Unternehmen jeglicher Branche und Größe.
Sie leiten seit über 10 Jahren auch ihr eigens Beratungsunternehmen. Welcher aktuelle Trend ist denn für ihr Unternehmen besonders interessant?
Sabine Dietrich: Die notwendige Veränderung von Unternehmen ist bei uns aktuell ein großes Thema. Die Einführung agiler Arbeitsweisen in Projekten und Organisationen nimmt dabei erheblichen Raum ein – ob durch neue Standards, Umorganisationen, Qualifizierungen oder auch Unterstützung durch professionelle Projektleiter.
Unseren Kunden legen besonderen Wert darauf, die Veränderung nicht einfach überzustülpen, sondern sie passgenau auf ihren Bedarf und ihre Anforderungen, die eigenen Werten und Vision auszurichten. Da ist es dann durchaus an der Tagesordnung, dass der „Methodenkoffer“ Agil individualisiert und durch andere Methoden angereichert wird.
Über Sabine Dietrich
Nach vielen Jahren im Management verschiedener Unternehmen gründete Sabine Dietrich 2009 die Beratung SABINE DIETRICH & Co.. Seitdem entwickelt sie mit ihrem Team Lösungen rund um Projekte, Projektlandschaften sowie Führung in der sich verändernden Arbeitswelt. Ihre Kunden sind Mittelständler und Konzerne unterschiedlichster Branchen im nationalen und internationalen Umfeld. Sabine Dietrich beeindruckt mit ihrem Sinn für Struktur und ihrem Vermögen, Menschen und Organisationen in ihrer Entwicklung nachhaltig und zukunftsweisend zu unterstützen. Und so versteht sie auch ihre Mission: Veränderung in Zeiten der Digitalisierung wirksam managen. In Projekten und Führung. Gebürtig aus dem Ruhrgebiet und ihren Wurzeln verhaftet, lebt sie heute bei Düsseldorf.
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