Wissen Sie, was ein „Shoe Dog“ ist? Nie gehört? Machen Sie sich nichts draus, ich wusste es bis vor wenigen Tagen auch nicht. Jetzt weiß ich, dass „Shoe Dog“ kein Welpe ist, dessen Lieblingsbeschäftigung darin besteht, die Schuhe von Frauchen und Herrchen zu massakrieren. Sondern „Shoe Dogs“ sind – ich zitiere – „Menschen, die sich mit Leib und Seele der Herstellung, dem Verkauf, dem Kauf und dem Design von Schuhen widmeten, Menschen, die so lange und hart im Schuhbusiness geschuftet hatten, dass sie an nichts anderes mehr denken, von nichts anderem mehr reden konnten“. Heute möchte ich Ihnen solch einen „Shoe Dog“ vorstellen. Sein Name ist Phil Knight und er ist der Gründer der Firma Nike, dem mit einem Umsatz von 32,4 Milliarden Dollar und 3,7 Milliarden Dollar Profit heute größten Sportartikelhersteller der Welt (zum Vergleich: der größte Wettbewerber Adidas setzte im vergangenen Jahr 16,9 Milliarden Euro um und erzielte einen Gewinn von 666 Millionen Euro).

Die sehr persönliche Geschichte des Nike-Gründers

„Shoe Dog“ ist der Titel der gerade auf Deutsch erschienenen Biographie von Phil Knight, und diesem Buch habe ich auch die obige Definition des Begriffes entnommen. Und einer der größten lebenden Shoe Dogs war und ist zweifelsohne der Nike-Gründer selbst, übrigens in jungen Jahren selbst ein talentierter und passionierter Läufer. Auf diesen 441 Seiten erzählt Knight sein Leben, und er tut dies auf eine ungemein persönliche und unterhaltsame Art und Weise.

Doch bevor man zu lesen beginnt, wirft man einen Blick ins Inhaltsverzeichnis und sieht – Zahlen! Nichts als  Zahlen. Es sind Jahreszahlen. Diese Zahlen fangen bei 1962 an und hören bei 1980 auf. 1962, das ist sozusagen das Gründungsjahr der Firma Nike (obwohl sie damals nicht so hieß), und 1980 fand der Börsengang des Unternehmens statt. Dieses rein aus Zahlen bestehende Inhaltsverzeichnis macht Sinn, denn es passt zum Zahlenmenschen Phil Knight. Auf Seite 100 schreibt er über sich:

„Rein vom Verstand her hatte ich Zahlen auch immer als etwas Schönes betrachtet. Bis zu einem gewissen Grad verstand ich, dass Zahlen einen Geheimcode bilden, dass sich hinter jeder Zahlenreihe reine platonische Formen verbergen. Das hatte mich das Studium des Rechnungswesens durchaus gelehrt. Genauso wie der Sport. Langlauf vermittelt dir einen unerbittlichen Respekt vor Zahlen, denn du wirst an Zahlen gemessen, nicht mehr, nicht weniger. Wenn ich in einem Rennen eine schlechte Zeit lief, mochte das seine Gründe haben – Verletzung, Müdigkeit, Liebeskummer -, aber die interessierten niemanden. Am Ende waren meine Zahlen alles, woran man sich erinnern würde.“

Das Buch selbst ist aber alles andere als zahlenmäßig trocken. Der Mann, der hier erzählt, ist kein Oberbuchhalter oder ein langweiliger „Numbercruncher“. Im Gegenteil: Die Hauptrolle in diesem Buch spielen Menschen, Menschen, die wichtig waren beim Aufbau und der Entwicklung der Firma. Knights Vater zum Beispiel, der ihm die erste Reise nach Japan finanzierte, seine Mutter, die ihm die ersten Schuhe abkaufte, sein früherer Lauftrainer und späterer Kompagnon Bill Bowerman und viele, viele andere. In Knights Buch menschelt es auf jeder Seite, vor allem menschelt es beim Menschen Phil Knight selbst, der sich in keiner Weise als tollen Hecht und Superstar darstellt, sondern sehr offen von seinen Schwächen, seinen Ängsten und seinen Macken erzählt. Das alles macht die Lektüre unglaublich spannend und unterhaltsam. Das grandios geschriebene und hervorragend übersetzte Buch ist eine Biographie, es liest sich aber wie ein Roman. Wie ein guter, ein spannender, ein unterhaltsamer Roman.

Ein tolles Buch für alle, die sich für Sport und/oder Wirtschaft interessieren

Das Buch endet, wie gesagt, im Jahr des Börsengangs 1980, also vor immerhin 36 Jahren. Das macht durchaus Sinn, denn mit diesem wichtigen Datum war die Aufbauarbeit des Unternehmens abgeschlossen. Natürlich entwickelte sich Nike auch danach sehr dynamisch weiter und überholte alle Konkurrenten wie vor allem die deutschen Anbieter Adidas und Puma, die in früheren Jahren nahezu unerreichbar schienen und auf dem globalen Markt eine fast beherrschende Stellung eingenommen hatten. Aber die wichtigsten Jahren für Nike lagen vor 1980, und es tut dem Buch gut, dass Phil Knight, gleichsam der Bill Gates der Sportartikelindustrie, hier einen Schlussstrich gezogen hat. Okay, nicht ganz richtig, denn sozusagen im Abspann wirft Knight zum Schluss noch einmal ein Licht auf die wichtigen Themen in den Jahren danach. Und es wundert nicht, dass es darin wiederum vor allem die Menschen sind, die hier im Vordergrund stehen, wie zum Beispiel sein erstgeborener Sohn Matthew, der im Jahr 2004 bei einem Tauchumfall ums Leben kam.

Michael Spence, der Wirtschaftsnobelpreisträger von 2001, sagt über das Buch von Phil Knight: „Eine anrührende und höchst unterhaltsame, abenteuerliche Odyssee, die uns viel lehren kann über Innovation und Kreativität.“ Und über Hartnäckigkeit, wie man hinzufügen sollte. Ein tolles Buch! Fehlt etwas? Nein. Oder doch. Ein paar Bilder aus der Anfangszeit wären schön gewesen.

Roter-Reiter-Fazit: Ein absolut empfehlenswertes Buch für alle, die sich für Sport und/oder Wirtschaft interessieren. Grandios geschrieben, hervorragend übersetzt, spannend und unterhaltsam bis zur letzten Seite. Kopfkissenlektüre im besten Wortsinne.

Damian Sicking, www.Roter-Reiter.de

Phil Knight: Shoe Dog.Die offizielle Biografie des NIKE-Gründers. Finanzbuch-Verlag. 441 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 3898799921

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