Mit ihrem Buch „Die verratene Generation“ haben die beiden Autorinnen Christina Bylow und Kristina Vaillant eine zornige Anklageschrift formuliert. Beschuldigt werden deutsche Politiker der Vergangenheit und Gegenwart, öffentliche Verwaltung und Entscheidungsträger der Wirtschaft. Die Vorwürfe lauten: „Strukturelle Benachteiligung“, „falsche Versprechungen“ und „unterlassene Hilfeleistung trotz besseren Wissens“. Die Opfer sind die vielen „Frauen der geburtenstarken Jahrgänge 1958 bis 1968“, denen im Jugendalter die Gleichberechtigung in Job und Partnerschaft versprochen wurde, sofern sie denn nur einen „anständigen Beruf erlernen“ und ein selbstbewusstes Leben führen würden. Haben sie getan. Aber das Versprechen wurde nicht eingelöst. Stattdessen sind Frauen um die 50 besonders armutsgefährdet, wie die Autorinnen nachweisen. Denn eine durchschnittliche Rente von „533 Euro“ wird kaum für ein würdevolles Altern reichen. Eine Existenz ganz nahe am Sozialhilfesatz droht, trotz „früherer Berufstätigkeit“ und „höherem Bildungsstand“.

Alte Geschlechter-Klischees im 21. Jahrhundert

Bylow und Vaillant suchen in „Die verratene Generation“ die Gründe dafür. Fündig werden sie in überholten gesellschaftlichen Konventionen des letzten Jahrhunderts, nach denen die Frau noch immer Kinder zu erziehen („es sind die Mütter, die dafür geradestehen müssen, wenn die Erziehung scheitert“) und bei Bedarf auch die Eltern zu pflegen hat (manchmal gleichzeitig) – zugunsten des Mannes, der seine Karriere vorantreibt. Auch die Steuerpolitik mit dem Ehegattensplitting („der finanzielle Anreiz für eine Ehefrau, selbst berufstätig zu sein und sich ökonomisch unabhängig zu machen, ist gering“), die Teilzeitregelungen der Privatwirtschaft und die politischen Versäumnisse zu Kindergartenplätzen und Rentenabsicherungen kommen an den Pranger – zurecht! Und da sind wir noch gar nicht bei den neuen Regelungen des Scheidungsrechts angelangt. Dass es auch anders, besser gehen könnte, zeigen die beiden Berlinerinnen am Beispiel Skandinavien, wo – zum Beispiel – die Betreuung der „alten und pflegebedürftigen Menschen längst eine öffentliche Aufgabe ist – keine Pflicht der Frau. Das wäre hierzulande sicherlich auch ein guter Anfang.

Roter Reiter-Fazit: „Die verratene Generation ist der wütende Appell an Politik und die Wirtschaft, endlich die Augen für den unterschwelligen Sexismus zu öffnen, der vor allem die Frauen um die 50 in Deutschland massiv benachteiligt.

Oliver Ibelshäuser, www.roter-reiter.de

 

Zum Buch: Christina Bylow, Kristina Vaillant: „Die verratene Generation“, Pattlocj 2014