Glaubt man einschlägigen Psycho- und Pädagogik-Ratgebern, ist Sorge um den Nachwuchs angebracht. Selbst der „Spiegel“ monierte kürzlich auf seinem Titel die vermeintliche Erziehungsmisere in unserer Gesellschaft mit dem Hinweis auf „Helikoptereltern“, die Vorschulkinder systematisch in „Prinzessinnen“ oder „kleine Tyrannen“ verwandeln“. Alfie Kohn will von solchen Pauschalverurteilungen nichts wissen.

Erziehungsratgeber: Gut verpackte Pseudowissenschaft

In seinem erstklassig recherchierten Buch „Der Mythos des verwöhnten Kindes“ rechnet er mit solche Erkenntnissen und Empfehlungen ab, die scheinbar aus der pädagogischen Ecke stammen, tatsächlich aber keinerlei wissenschaftlichen Rückhalt haben: „Populäre Elternratgeber bilden ein Art Paralleluniversum. Fragt man nämlich an den Universitäten tätige Erziehungswissenschaftler, Pädagogen oder Entwicklungspsychologen nach den Namen bedeutender Autoren von Erziehungsratgebern, so sind ihnen diese völlig unbekannt.“

Die Erfindung von den bösen Helikopter-Eltern

Auf mehr als 300 Seiten hinterfragt der Autor die am weitesten verbreiteten Erziehungsmythen wie beispielsweise die „Angst vor den verwöhnten Kindern“, die „Annahme, unsere Kinder würden nur funktionieren, wenn wir ihnen Bedingungen stellen“ oder auch den Vorwurf, „dass Kinder ohne wirklichen Grund gelobt und ihnen gute Noten nachgeworfen werden.“ Ausführlich widmet sich Kohn dem Hype um Helikopter-Eltern, jenen „irregeleiteten Müttern und Vätern, die wie Glucken über ihren Kindern hocken und sie in einer Blase großziehen.“ Forschung und Wissenschaft, so der Amerikaner, haben bislang überhaupt keine verlässlichen Ergebnisse zu den Effekten einer „übervorsorglichen Erziehung“. Sicher ist dagegen, „dass Kinder psychisch und auch anderweitig davon profitieren, wenn ihre Eltern ihnen eng verbunden sind und an ihrem Leben teilnehmen. Das gilt nicht nur für die frühe Kindheit, sondern auch für die Adoleszenz und darüber hinaus.“

Roter Reiter – Fazit: „Der Mythos des verwöhnten Kindes“ ist der vielleicht beste Erziehungsratgeber des Jahres, weil er seine Empfehlungen auf wissenschaftliche Fakten stützt und den Unsinn vieler Zeitschriftenartikel und Pseudo-Ratgeber problemlos als Luftblasen entlarvt.

Oliver Ibelshäuser, www.Roter-Reiter.de

Alfie Kohn: „Der Mythos des verwöhnten Kindes“, Beltz 2015

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