Was die Börsenweisheiten versprechen – und was sie halten

Kluge Köpfe aus der Wirtschaft haben seit jeher Aphorismen benutzt, um das gebündelte Wissen um Märkte, Börsen und Aktienhandel schneller auf den Punkt zu bringen oder auch so zu vereinfachen, dass selbst Einsteiger die wichtigsten Regeln des Wertpapierhandels schnell verstehen und verinnerlichen.  In ihrem Buch „Sell in May and go away? “ pickt sich Autorin Jessica Schwarzer 20 der geläufigsten „goldenen Regeln“ heraus. Weisheiten der Grandseigneurs unter den renommierten Finanzexperten wie André Kostolany oder Warren Buffett, die mit ihrem Insiderwissen Millionen an der Börse scheffeln könnten.

Reich im Schlaf

Von den großen Wirtschaftsweisen der Vergangenheit und Gegenwart stammen griffige Handlungsanweisungen wie die „Buy and Hold“-Strategie von Kostolany („Nehmen Sie nach dem Aktienkauf Schlaftabletten und schauen Sie sich die Papiere nicht mehr an. Nach einigen Jahren werden Sie eine angenehme Überraschung erleben“). Anhand von Erfahrungsberichten und Fallbeispielen weist Schwarzer nach, dass diese kleinen Börsenregeln häufig einen wahren Kern besitzen – wenn man sie nicht zu wörtlich nimmt. Kostolanys Empfehlung soll vor allem als „klare Warnung vor Überreaktionen“ bei fallenden Kursen verstanden werden, denn grundsätzlich gilt: „Je langfristiger Sie Ihr Geld investieren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, Geld zu verdienen“.

Die Lehren des Warren Buffett

„Seid gierig, wenn andere ängstlich sind und seid ängstlich, wenn andere gierig sind“. Dieser Leitsatz verhalf dem US-Investor Warren Buffett zu großem Reichtum (und Kult-Status) unter jungen Börsianern. Schwarzer weist nach, dass die Regel – richtig verstanden und angewendet – nicht an Gültigkeit eingebüßt hat: „Antizyklisches Verhalten an der Börse zahlt sich oft aus“. Vor allem baut Buffett auf langfristigen Erfolg, den er mit der Politik der ruhigen Hand angeht: „Wenn die Börsenherde übernervös ist, kauft er“. Und zwar ausschließlich die Papiere unterbewerteter Unternehmen. Um die zu finden, schaut er nicht auf „Gewinn- oder Umsatzkurven“, sondern auf den „Buchwert des Unternehmens“.

Börse kennt kein Hitzefrei

Andere Sinnsprüche verweist Schwarzer in den Bereich der Fabeln, beispielsweise den Aphorismus des Buchtitels: „Sell in May and go away. But remember to come back in September“. Sommermonate sind häufig, aber nicht zwangsläufig die schlechteren Börsenmonate. Tatsächlich handelt es sich bei der Börsenregel „um eine clevere Idee der Händler, die im Sommer weniger arbeiten wollten“. Korrekterweise müsste die Regel lauten „Der Winter ist die beste Börsenzeit“. Aber das reimt sich leider nicht.

Roter Reiter – Fazit: Unterhaltsam und lehrreich hinterfragt Jessica Schwarzer in „Sell in may and go away“ die Bauernregeln der Spekulanten und Broker. Das richtige Buch für private Anleger, die die Gesetzmäßigkeiten der Börse kennenlernen möchten, ohne auf schwerfällige Wirtschaftsbücher zurückzugreifen.

Oliver Ibelshäuser, www.Roter-Reiter.de

Jessica Schwarzer: „Sell in May and go away“, Börsenbuchverlag 2013