Als Polit-Aktivistin, Frauenrechtlerin und Top-Managerin ist Domscheit-Berg häufig in Talkshows zu sehen. Klare Statements jenseits des parteipolitischen Mainstream sind ihr Ding. Das gilt auch für ihr Buch „Mauern einreißen“, das punktgenau zur hitzigen Debatte um NSA-Spionage und Snowden-Solidarität erscheint. Domscheit-Berg bezieht hier unmissverständlich Stellung für eine vollständige Aufklärung zu länderübergreifenden (und nationalen) Spionageprogrammen („schlagkräftiger Beweis für völlige Inkompetenz“) und gegen die fortschreitende Überwachung der Bürger durch den Staat und seiner Organe („Pauschalgenehmigung zur Spionage“). Denn die ursprünglich geplante Abwehr terroristischer Gefahr hat sich schleichend in einen Generalverdacht gegen alles und jeden verwandelt, der Freiheit zu Lasten der vermeintlichen Sicherheit verpfändet: „In so einer Gesellschaft möchte ich nicht leben, wer überwacht wird, ist nicht frei.“

Leben in der DDR

Domscheit-Berg fordert von Politikern und Beamten den Mut für mehr Transparenz. Dem Ideal der „gläsernen Verwaltung“ („auch Bürokratie muss durchschaubar sein“) und des „gläsernen Parlaments“ kommen europäische Nachbarn schon deutlich näher als die Bundesrepublik. Mit dem Modell „Demokratie 2.0“ ließe sich Vertrauen zurückgewinnen. Trotz ihrer führenden Rolle bei den „Piraten“ argumentiert Domscheit-Berg nicht am Parteiprogramm entlang. Es sind die persönlichen Erfahrungen, die sie zu einer entschlossenen Aktivistin gemacht haben. Aufgewachsen in der DDR und vom Regime gegängelt („lachen war systemgefährdend“) begehrt sie sehr schnell gegen die „Mauer(n)“ auf. Die zwischen den beiden Staaten und die in den Köpfen der alten Genossen. In vielen persönlichen Erinnerungen, anhand von Briefen und Tagebuchaufzeichnungen erzählt sie im ersten Teil des Buches vom Alltag im DDR-Sozialismus, von Schikanen und Drohungen und ihrer wachsenden Renitenz.

Karriere-Mauern

Domscheit-Berg wechselt dann in den Westen, macht Karriere als Top-Managerin unter anderem bei Microsoft. Sich dabei satt und zufrieden zurücklehnen, ist aber nach wie vor nicht ihre Sache. Sie engagiert sich in der Frauenbewegung und kämpft gegen „gläserne Decken“, jene Barrieren, die Frauen daran hindern, in die oberen Etagen der Unternehmen zu gelangen. Akribisch weist sie mit aktuellen Zahlen und Fakten nach, dass Deutschland von dem Ziel der beruflichen Gleichberechtigung meilenweit entfernt ist. Liegt aber nicht nur an bornierten (Personal-)Chefs. Sondern auch daran, dass Frauen ihre Chancen noch nicht vollständig nutzen, sich beispielsweise nicht so stark vernetzen wie erfolgreiche Männer. Domscheit-Berg, Trägerin des Berliner Frauenpreises, hilft hier weiter – auch mit passenden Internet-Adressen. Roter Reiter – Fazit: Die Mischung aus Autobiographie und Sachbuch funktioniert in „Mauern einreißen“ von Anke Domscheit-Berg ganz hervorragend: Der engagierte, zuweilen radikale Entwurf einer bessere Gesellschaft – samt Gebrauchsanweisung. Lesenswert!


Oliver Ibelshäuser, www.Roter-Reiter.de

Zum Buch: Anke Domscheit-Berg: „Mauern einreißen“, Heyen 2014