„Das Problem in Deutschland ist, dass es zu viele Menschen gibt, die gar keine Chance bekommen, ihr Können zu zeigen. Wollen sie es doch nach oben schaffen, müssen sie sich mühsam hochkämpfen.“ Journalist Marco Maurer stellt mit seinem Buch „Du bleibst, was du bist“ der deutschen Bildungs- und Sozialpolitik ein vernichtendes Zeugnis aus. Noch immer haben Kinder aus Arbeitermilieus oder Migrantenfamilien schlechte Karten für erstklassige Schulabschlüsse. Noch immer müssen deprivilegierte Jugendliche mehr leisten, um sich Abitur und Studium zu ermöglichen. Und noch immer ist Kindern aus höheren sozialen Schichten die Karriere beinahe in die Wiege gelegt.

„Ein zutiefst ungerechtes Land“

Maurer selbst war Opfer eines „zutiefst ungerechten Landes“ – zunächst zum Beruf des Molkereifachmanns „verdonnert“, gelingt ihm über Umwege die akademische Ausbildung. Heute ist er ein gefragter Autor, der für seine Sozialstudien den Deutschen Journalistenpreis gewann. „Du bleibst, was du bist“ hat starke biographische Züge, ist gleichzeitig eine ergreifende Milieubeschreibung und eine soziologisch wertvolle Analyse der aktuellen Bildungsmisere zwischen Neukölln und München-Neuperlach. Maurer sucht die Gründe für das Auseinanderklaffen der Lebenschancen von Jugendlichen, die nur wenige Häuserblöcke voneinander entfernt wohnen, im gleichen Alter sind und den gleichen Fußballverein anfeuern und dennoch andere Sprachen sprechen und andere Lebensentwürfe haben.

Warum die Prinzessin die Problemschule besucht

Sein Blick richtet sich auf die jungen Wohlstandsverlierer der Gesellschaft, die Opfer der gesellschaftlichen und politischen Strukturen: „Unser Schulsystem fördert nicht das Zusammenwachsen der Gesellschaft, sondern ihr Auseinanderdriften.“ Trotz harscher und berechtigter Kritik arbeitet Maurer aber auch die positiven Integrationsansätze heraus: „Bildungsstreetworker halten Vorträge an Schulen, vermitteln Praktikumsplätze in Unternehmen, geben Ratschläge, wie sich ein Studium finanzieren lässt“. Geradezu rührend das Beispiel von der „Prinzessin Konstanza zu Löwenstein, die sich im hohen Alter „Talentförderung an Berliner Haupt- und Berufsschulen zur Aufgabe gemacht hat.“

Den Abschluss des Buches bilden Gespräche mit zwei politischen Eliten, die sich ihren Erfolg trotz schlechter Startpositionen erkämpfen konnten. Maurer redet mit Steinmeier und Özdemir. Der Grünen-Politiker bringt die Bürde der sozialen Herkunft treffend auf den Punkt: „Das Label Gastarbeitersohn hat mich immer begleitet und wird mich immer begleiten.“

Roter Reiter – Fazit: „Du bleibst, was du bist“ ist eine eindringliche Sozialstudie, die das Leben der Bildungsverlierer in Deutschland beschreibt. Maurer zeigt an vielen Stellen aber auch, was Lehrer, Sozialarbeiter und vor allem Politiker besser machen können, um die Bildungschancen in Deutschland gerecht zu verteilen.

Oliver Ibelshäuser, www.Roter-Reiter.de

 

Marco Maurer: „Du bleibst, was du bist“ Droemer 2015

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