Gerald Lembke ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, Medienmanagement und Kommunikation in Mannheim. In seiner Arbeit mit jungen Menschen an der Dualen Hochschule trifft er auf junge, orientierungslose Menschen. In seinem Buch „Verzockte Zukunft“ legt er offen, wie Wirtschaft und Politik das Potenzial der jungen Generation verspielen – und das mit Folgen.

Wie ein System Menschen hilflos macht

„Ich erlebe täglich, wie orientierungslos manche meiner Studentinnen und Studenten durchs Leben stolpern, wie wenig soziale Kompetenzen sie haben und wie sie an einfachsten Aufgaben scheitern, bei denen sie das eingepaukte Wissen in eigenen Worten wiedergeben oder anwenden müssten“, erzählt Lembke. Liegt das an einer WhatsApp-Generation, die einfach keinen Bock mehr hat? Ist das der Werteverfall, den vor allem ältere Menschen mit Blick auf ihre eigene Jugend den heutigen Jugendlichen unterstellen?

Lembke fing damit an, sich mit den Ursachen der markanten Bildungs- und Kompetenzlücken einiger Studierender zu beschäftigen. Heraus kam ein Appell an  Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sowie eine Diagnose: „Viele junge Erwachsene haben Angst“, stellt er fest, „und diese Angst haben wir Älteren ihnen eingeimpft.“ Das Problem scheint hausgemacht.

Es braucht mehr Platz für Entwicklung und Individualität

In „Verzockte Zukunft“ differenziert Lembke die verschiedenen Brandherde heraus. Es beginnt seiner Meinung nach mit einer zunehmenden Überbehütung in den Familien. Die lässt keinen ausreichenden „Raum für eine eigenständige Persönlichkeitsentwicklung“. Der Leistungsdruck der Gesellschaft zeigt sich in einem vollen Wochenplan für Kindergartenkinder und später in den Schulkindern, die auf Bestleistungen getrimmt werden.

Lembke beobachtet, dass Kinder und Jugendliche heute ganz klare Vorstellungen vorgelegt bekommen, wie sie zu sein und was sie zu tun haben. Werden sie dann nach der Schule ins Studium entlassen, sind sie oft das erste Mal auf sich allein gestellt. „Manche warten buchstäblich darauf, dass sie von Eltern, Lehrern oder Professoren abgeholt, an die Hand genommen und auf ihren (?) Lebensweg geführt werden“, sagt er. Die enorme Arbeits- und Freizeitbelastung lässt den Jugendlichen keinen Raum, um darüber nachzudenken, was sie eigentlich selbst wollen, und keine Zeit zum Ausprobieren von verschiedenen Berufs- und Lebenswegen.

Appell an die ältere Generation

Fehlende Konzentration durch WhatsAppen, Bulimie-Lernen durch Bologna und ein durchgetaktetes Familienleben: Die Ursachen für die Lethargie und Orientierungslosigkeit sind für Lembke vielfältig und ineinander verwoben. Trotzdem schlüsselt er einige wichtige Faktoren auf, die aus seiner Sicht schnell in Angriff genommen werden müssen, damit die nächste Generation wieder Lust und Energie hat, das eigene Leben in die Hand zu nehmen und sich auch gesellschaftlich einzubringen. „Dass junge Leute ihr Potenzial nicht ausschöpfen können, hat sehr viel damit zu tun, dass wir gesellschaftlich so viel Angst schüren und Druck aufbauen“, resümiert Lembke. „Wir Älteren müssen ihnen Mut machen, den Hunger nach dem Leben fördern, anstatt sie abzufüttern, um unser schlechtes Gewissen zu befriedigen.“

Roter-Reiter-Fazit

Ein faktenreiches Buch zur aktuellen Lebens- und Bildungssituation junger Menschen und ein kraftvoller Aufruf zu mehr Mut, neue Wege in einer sich schnell wandelnden Welt zu gehen.

Gerald Lembke: Verzockte Zukunft. Wie wir das Potenzial der jungen Generation verspielen.
Beltz Verlag, Weinheim/Basel 2019.
224 Seiten, 18,95 Euro
ISBN: 3407865570

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