„Die Welt ist schlecht. Jeder denkt an sich. Nur ich, ich denk an mich.“ Kennen Sie sicher, den Spruch. Ist ja eher lustig gemeint. Aber  zweifellos steckt da auch ein Körnchen Wahrheit drin. Meint zumindest der französische Philosoph Jean-Baptist Hennequin. Und weil das so ist, muss jeder sehen, wo er bleibt in dieser Welt. Sich nicht von den anderen und ihren egoistischen Interessen unterbuttern lassen, seine eigene Ziele und Vorstellungen durchsetzen, das ist es, worauf es ankommt. Und weil es Aufgabe von Eltern ist, ihre Kinder auf dieses schwierige Leben vorzubereiten und sie dazu zu befähigen, es in ihrem Interesse zu meistern, hat Hennequin das Buch „Machiavelli für meinen Sohn“ geschrieben. Untertitel: „Eine kleine Philosophie der Macht“.

Der Fürst läßt grüßen

Da muss man auch erst mal drauf kommen. Eines der bedeutendsten und umstrittensten Bücher der Staatsphilosophie zu nehmen und daraus einen Lebensratgeber für seinen Sohn zu machen. Hennequin beruft sich natürlich auf das Buch „Der Fürst“ („Il Principe“) des italienischen Philosophen und Politikers Niccolò Machiavelli, das bereits im Jahr 1531 erschienen ist. Nun gibt es zwischen einer erfolgreichen Staatsführung und einer individuellen Lebensführung sicher eine ganze Menge Unterschiede, aber auch überraschend viele Gemeinsamkeiten. Nämlich in beiden Fällen hat man es mit Menschen zu tun und der Frage, wie man es schafft, seine eigenen Interessen gegenüber den Interessen der vielen anderen durchzusetzen.

Und darum geht es in diesem Buch von Hennequin. Schon die Überschriften der einzelnen Kapitel zeigen, wo der Hase hinläuft. Gleich das erste Kapitel heißt „Denk an dich“. Das also ist schon mal das wichtigste: an sich selber denken. Weitere Kapitelüberschriften lauten „Lass andere für dich arbeiten“, „Verführe“, „Lüge“, „Bereichere dich“ oder auch „Sei nicht du selbst“.

Hier spricht kein Freund der Wattebällchen-Fraktion

Hennequin ist kein Freund einer Wattebällchen-Pädagogik, die darauf abzielt, die Kinder so lange wie möglich wohlbehütet vor den Stürmen des Lebens zu schützen. Es ist die Aufgabe der Erziehung, schreibt er, die Kinder abzuhärten, damit sie auch bei starkem Gegenwind nicht umfallen. „Wer immer vom Guten im Menschen ausgeht“, warnt Hennequin seinen Sohn, „steht seinen Feinden gegenüber hilflos da.“

Das Buch, das man uneingeschränkt nur geübten Lesern empfehlen kann, da man sich auf die Lektüre konzentrieren muss und Störgeräuschen oder anderen  Ablenkungen aus dem Weg gehen sollte, enthält nicht nur theoretische Ausführungen über die Schlechtigkeit und Schwächen der Menschen nebst zahlreichen Beispielen aus Geschichte und Gegenwart, sondern auch viele ganz praktische Tipps. Ein Beispiel:

Authentizität? Vergiss es!

Heute wird ja allerorten das Hohe Lied der Authentizität gesungen. Jeder muss authentisch sein, echt, auch Führungskräfte. Manchmal hat man den Eindruck, dass „authentisch sein“ das wichtigste Kriterium einer guten Führungskraft sei. Totaler Quatsch, meint Hennequin. Um seine Ziele zu erreichen, ist Authentizität das letzte, was man dafür braucht. Ich zitiere aus dem Kapitel „Sei nicht du selbst“:

„Lerne, deinen spontanen Impulse zu beherrschen, Herr deiner Persönlichkeit, deiner Überzeugungen zu werden. Werde ein anderer, wenn es die Situation verlangt und trag deine Veränderung zur Schau, so kannst du die Gunst der Stunde nutzen.“

Und an anderer Stelle schreibt er, dass man sich im Umgang mit anderen Menschen je nach Situation verstellen, listig und verschlagen sein solle, um seine eigenen Ziele zu erreichen. Schmeicheleien und Schönreden? Aber klar, wenn es denn nützt! „Verführung“, schreibt er, „ist die Kunst, andere von ihrem Weg abzubringen, damit sie tun, was einem selbst gefällt.“

Roter-Reiter-Fazit: Man muss das Buch „Der Fürst“ von Niccolò Machivelli nicht im (italienischen) Original gelesen haben, um an diesem Büchlein Gefallen zu finden. Es schadet aber natürlich auch nicht. Die Lektüre ist durchaus anspruchsvoll, aber es lohnt sich: Das Buch ist ungemein inspirierend, gerade weil es gegen den Strich der gegenwärtigen Kuschelpädagogik geschrieben ist. Man muss ja nicht zu allem Ja und Amen sagen, was der französische Philosoph seinem Sohn mit auf den Weg gibt. Aber sich seine Thesen und Argumente mal durch den Kopf gehen lassen, diese Chance sollte man nutzen. Allen Eltern und denen, die es werden wollen, ans Herz gelegt.

Damian Sicking, www.Roter-Reiter.de

Jean-Baptist Hennequin: Machiavelli für meinen Sohn. Eine kleine Philosophie der Macht. Beltz. 164 Seiten, 14,95 Euro, ISBN: 3407864256

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