Es ist noch keine drei Jahre her, da lag der Handball in Deutschland am Boden. Jedenfalls was die Nationalmannschaft betraf. Der Weltmeister von 2007 verlor damals das entscheidende Spiel, um sich für die WM in Katar zu qualifizieren (nur aufgrund einer Wildcard durfte das Team dann doch teilnehmen, spielte aber erwartungsgemäß keine Rolle). Nachdem auch schon die Europameisterschaften sowie die Olympischen Spiele ohne das deutsche Team stattgefunden hatte, markierte dies den absoluten Tiefpunkt. Es war klar: So kann es nicht weitergehen. Es musste was passieren. Die Uhr des glücklosen und überforderten Nationaltrainers Martin Heuberger war abgelaufen. Ein neuer Chefcoach musste her. Der neue Mann kam aus Island, und er veränderte alles.

Wie Phönix aus der Asche

Sein Name: Dagur Sigurdsson. Der frühere isländische Nationalspieler, der sowohl als Spieler (Wuppertal) als auch als Trainer (Füchse Berlin) Bundesligaerfahrungen mitbrachte und zuvor schon die österreichische Nationalmannschaft trainiert hatte, schmiedete in kürzester Zeit aus einem zwar willigen, aber orientierungslosen Haufen junger Männer ein Team, das von Erfolg zu Erfolg eilte. Vorläufiger Höhepunkt: der Gewinn der Europameisterschaften zu Beginn dieses Jahres in Polen sowie die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Die deutsche Mannschaft war wieder da, aufgestanden wie Phönix aus der Asche, und zu verdanken hatte und hat sie es im Wesentlichen einem Mann: Dagur Sigurdsson.

Der sympathische Isländler hat jetzt mit Unterstützung des Journalisten Fred Sellin seine Autobiographie vorgelegt. Titel des Buches: Feuer und Eis. Es ist jedem Handballfan zu empfehlen. Toll im Erzählstil geschrieben, erfährt man nicht nur Vieles über das Leben des handballverrückten Sigurdsson und die europäische Handballszene. Sondern man lernt am Rande auch noch einige interessante Dinge über Land und Leute. So erzählt Sigurdsson etwa, dass es auf Island nur zwei Jahreszeiten gibt, nämlich „Hoffnung und Enttäuschung“. Und es geht in dem Buch auch nicht ausschließlich um Handball. Lesenswert zum Beispiel die Episode, wo Sigurdsson noch als Gymnasiast zusammen mit seinem älteren Bruder in seiner Heimatstadt Reykjavik ein Café eröffnete und sich als Unternehmer erste Sporen verdiente.

„Preparation is 90 per cent of the success“

Der Untertitel des Buches lautet „Mit Leidenschaft zum Erfolg“, aber wer das Buch von Sigurdsson liest, erkennt schnell, dass Leidenschaft allein nicht reicht. Mit welcher Akribie der Nationalcoach zusammen mit seinen Co-Trainern die Mannschaft zusammenstellt, die Strategien und Taktiken entwirft und sich auf die kommenden Spiele vorbereitet, das ist sehr nüchterne und harte Arbeit am Detail und hat mit Leidenschaft wenig zu tun. Davon können sich auch Firmengründer, Manager und Unternehmer eine dicke Scheibe abschneiden, ebenso von Sigurdssons glasklarer und emotionslosen Haltung, wenn es um Personalfragen geht.

In wenigen Wochen beginnt die Handballweltmeisterschaft in Frankreich. Die deutsche Mannschaft ist mit ihrem Trainer Dagur Sigurdsson mit von der Partie. Sie zählt zu einem der Favoriten. Möglicherweise endet mit diesem Turnier Ende Januar 2017 die Amtszeit des Mannes aus Island beim Deutschen Handballbund. Es zieht ihn und seine Familie – Sigurdsson und seine Frau Ingibjörg haben drei Kinder – nach Japan. Hier, im Land der aufgehenden Sonne, hatte sich Sigurdsson bereits als aktiver Spieler mehrere Jahre sehr wohl gefühlt. Sollte er gehen – dem deutschen Handball wird er fehlen.

Roter-Reiter-Fazit: Ein tolles Buch für alle Handballfans! Super geschrieben, nie langweilig, mit vielen Innenansichten des Mannes, der Anfang 2016 zum „Welthandballtrainer des Jahres 2015“ gewählt worden war.

Damian Sicking, www.Roter-Reiter.de

Dagur Sigurdsson / Fred Sellin: Feuer und Eis. Mit Leidenschaft zum Erfolg. Droemer Knaur. 304 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 3426277204

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