Über seine Tätigkeit als Juniorprofessor an der Uni Bonn kam Alexander Markowetz eher beiläufig zum Thema „Smartphone-Nutzung“. Warum die Deutschen (und nicht nur die) zu „Smartphone-Zombies“ wurden, die in der Fußgänger-Zone in gebückter Haltung gehen mit stetem Blick auf das kleine Display, um ja keine WhatsApp-Message zu verpassen – diese Frage hat seine Forschungsarbeiten bestimmt. Und sie ist Thema des spannenden und erhellenden Buches „Digitaler Burnout“.

Warum der „Homo Digitalis“ für seine Infogier teuer bezahlen muss

Sicher, Markowetz ist ein Mahner und Kritiker der Smartphone-Sucht. Den erhobenen pädagogischen Zeigefinger braucht er dafür nicht. Er lässt Fakten sprechen, um die ungebremste Nutzung der „Alleskönner-Telefone“ als Zeit- und Energie-Killer entlarven. 2012 hat er das „Menthal-Projekt“ gegründet und dabei eine kleine App angeboten, die das Nutzungsverhalten aufzeichnet und Aufschluss darüber gibt: „Haben Sie die Kontrolle über Ihr Smartphone. Oder kontrolliert Ihr Smartphone Sie?“ 300.000 Teilnehmer fanden sich „zum Test“ bereit. Das Ergebnis liest sich erschreckend. 88mal durchschnittlich fällt der Blick auf das Display – pro Tag. Alle 18 Minuten wird die Arbeit (oder Freizeittätigkeit) unterbrochen. Rund 2 Stunden wertvolle Zeit stiehlt das Smartphone jedem Besitzer am Tag. „Wir sind schleichend zum Homo Digitalis geworden“ resümiert Markowetz.

Achtsamkeit gegen digitale Zwänge

Das bleibt nicht ohne Folgen. Psychische (Überforderung, Burnout) und physische Störungen (Haltungsschäden) sind unvermeidliche Folge des digitalen Exzesses, der Schüler ebenso wie Manager treffen kann, Jugendliche wie Großeltern. „Wir betreiben über Jahre hinweg kollektives Anti-Yoga, womit wir uns eine fragmentierte Aufmerksamkeit antrainieren“, warnt der Autor. Selbstverständlich bietet er aber auch Lösungen an, die nicht nur Selbstschutz versprechen, sondern auch Manager in die Pflicht nehmen, die sich um ihre Mitarbeiter sorgen: „Wir sollten bewusste Fenster schaffen – zeitlich und räumlich – in denen wir uns ohne digitalen Unterbrechungen oder Dauerzerstreuung konzentrieren können und so Flow-Ebenen schaffen. Denn nur die können zusammen mit mehr Geduld und einer gesteigerten Aufmerksamkeit dazu führen, dass wir langfristig wieder glücklich und produktiv werden.“

Roter Reiter – Fazit: Wiederkennungswert nicht ausgeschlossen, wenn Markowetz die „Suchtkrankheit“ des 21. Jahrhunderts beschreibt und ihre Therapiemöglichkeiten erläutert. Wichtiges Buch für alle, die morgens noch vor der Zahnbürste zum Smartphone greifen.

Oliver Ibelshäuser, www.roter-reiter.de

Alexander Markowetz: „Digitaler Burnout“, Droemer 2015

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