Müssen Comics  witzig sein? Nicht unbedingt, aber es hilft. Comics können grundsätzlich auch inspirierend, rührend, provozierend, melancholisch, erkenntnisgewinnend, nachdenklich, pointiert und sicher noch einiges mehr sein. Die Comics in dem Buch „Erzähl mir nix“ von Nadja Hermann sind dies alles. Über manche Cartoons lacht man, manche bringen einen zum Nachdenken, und manche reizen zum Widerspruch. Nur langweilig, langweilig ist keiner.

Ein Wort sagt mehr als tausend Bilder

Das Charakteristische an den Comics von Hermann ist die zeichnerische Reduktion. Es gibt lediglich Strichmännchen bzw. Strichfrauchen, die sich miteinander unterhalten. Das hat den interessanten Nebeneffekt, dass man keine Sympathie für die eine oder andere Figur entwickeln kann, die auf Äußerlichkeiten basiert. Im Vordergrund steht immer das Wort, das Argument, die Meinung, das (Vor-) Urteil. Und da kommen durchaus unerwartete Dialoge zustande. Beispiel gefällig? Bitte schön:

„Hast du auch manchmal das Gefühl, dass es heutzutage gar nicht darum geht, Probleme zu beheben, sondern nur darum, möglichst rasch jemandem die Schuld zuzuschieben, um sich dann nicht mehr damit beschäftigen zu müssen?“

„Ja, schlimm ist das.“

„Ich denke ja, das liegt an den Medien.“

„Das glaube ich auch.“

„Scheissfernsehen. Naja, hast du Lust, noch ein Eis zu essen?“

„Klar.“

Na, haben Sie sich wiedererkannt? Gut getroffen ist auch folgender kurzer Dialog:

„Wusstest du, dass 87,6 % der Menschen eine Information, ohne nachzufragen, glauben, wenn man eine ungerade Zahl verwendet und den Eindruck erweckt, es handele sich um ein wissenschaftliches Ergebnis?“

„ Krass. Das zeigt nur wieder mal, wie leichtgläubig die Menschen sind und wie schnell sich Leute verarschen lassen.“

Haben Sie´s gemerkt? Bei manchen Comics von Hermann muss es im eigenen Kopf erst einmal kurz „Klick“ machen, bis man sie verstanden hat. Das macht den besonderen Reiz dieser Kunstform aus.

Für gelungene Sitzungen auf dem Stillen Örtchen

Die Comics sind in die vier Kategorien „Gesellschaftliches“, „Zwischenmenschliches“, „Psychologisches“ und „Alltägliches“ einsortiert und lassen kaum ein aktuelles Thema aus. Flüchtlinge, Genderfragen, Beziehungsprobleme, Abnehmweisheiten (Hermann betreibt auch den Blog „Fettlogik überwinden“), Pädophilie, Cannabis-Freigabe und, und, und. Stellt sich die Frage: Wo liest man Hermanns Buch am besten? Na dort, wo man alle Comics am besten liest: An einem sehr stillen Örtchen. Und am besten in mehreren Sitzungen.

Roter-Reiter-Fazit: Nadja Hermanns Comics, die sie übrigens auch auf der Webseite Erzähl mir nix veröffentlicht, werden all denen gefallen, die keine Angst davor haben, sich den Spiegel vorhalten zu lassen und eigene Standpunkte in Frage zu stellen. Das Ergebnis lohnt sich: (Selbst-) Erkenntnisgewinn.

Damian Sicking, www.Roter-Reiter.de

Nadja Hermann: Erzähl mir nix. Heyne. 173 Seiten, 8,99 Euro, ISBN: 3453603702

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