7. Juli 1974, Olympiastadion München, weiß-blauer Himmel, strahlender Sonnenschein: Die deutsche Nationalmannschaft um ihren Kapitän Franz Beckenbauer wird nach 1954 zum zweiten Mal Fußballweltmeister. Der Gegner Niederlande, der nach seinem Halbfinalsieg gegen den amtierenden Champion Brasilien als Favorit ins Finale eingezogen war, musste als Vizemeister die Heimreise antreten (die Höhepunkte des Spiels kann man sich hier noch einmal ansehen). In den späteren Kommentaren hieß es, dass die Niederländer an ihrer eigenen Arroganz gescheitert waren. Statt nach dem frühen 1:0 den Sieg abzusichern, sei es ihr Ziel gewesen, den Gegner zu demütigen. Mannschaftskapitän des niederländischen Teams und überragender Spieler des Turniers war Johann Cruyff. Der Mann, der wie kein anderer den niederländischen „Totalfußball“ verkörperte und der als einer der größten Fußballspieler der Weltgeschichte gilt, ist im März dieses Jahres im Alter von 68 Jahren gestorben. Posthum erschien jetzt im Verlag Droemer Knaur seine Autobiographie „Mein Spiel“, passenderweise in der Farbe der niederländischen Nationalmannschaft: orange.

Wo Cruyff war, war auch der Streit

„Bis auf die Deutschen“, schreibt Cruyff im Rückblick auf das verlorene WM-Finale von 1974, „war so ziemlich jeder davon überzeugt, dass eigentlich wir hätten gewinnen müssen.“ „Johan war der bessere Spieler, aber ich war Weltmeister“, sagte einst „Kaiser“ Franz Beckenbauer über seinen Freund. Cruyff galt zeit seines Lebens nicht nur als einer der besten Spieler der Fußballgeschichte, sondern setzte auch als Trainer Akzente. Dennoch war er aufgrund seines eigenwilligen Charakters nicht unumstritten. Bei aller Genialität war Cruyff stets eine kontroverse Figur. Wo er war, war auch der Streit. Er legte sich mit Spielern, Trainern und Vereinsbossen an, wurde immer wieder als Querkopf und Diktator gebrandmarkt und hatte den Ruf, selbstherrlich und arrogant zu sein, schreibt die „Sportschau“ auf ihrer Webseite.

In seinem Lebensbericht schreibt Cruyff ausführlich über die Zerwürfnisse vor allem mit den Vereinsführungen, die er sowohl als Spieler als auch als Trainer vor allem bei Ajax Amsterdam und beim FC Barcelona immer wieder hatte. Dabei wird vor allem deutlich, dass es Cruyff immer um die Sache ging: den besten Fußball und die beste Art, eine Mannschaft zu trainieren und einen Verein zu führen. Oder sollte man richtiger sagen: Es ging ihm fast immer um die Sache. Denn wenn seine Leistung von wem auch immer nicht anerkannt wurde, dann konnte er bockig und beleidigt werden. So zum Beispiel, als die Spieler von Ajax Amsterdam 1973 ihm als Mannschaftskapitän ihr Vertrauen entzogen und stattdessen Piet Kaizer zu ihrem neuen Spielführer wählten. Für Cruyff damals ein Anlass, sich eine neue fußballerische Heimat zu suchen, die er beim FC Barcelona in Spanien dann auch fand.

Ein MUSS für jeden Fußballfan, Trainer und Clubmanager

In Cruyffs Autobiographie geht es von der ersten bis zur letzten Seite nur um zwei Dinge: um Johann Cruyff (was in einer Autobiographie jetzt nicht so verwunderlich ist) und um Fußball. Um nichts anderes. Das gesamte Leben von Johann Cruyff und sein gesamtes Denken drehte sich ausschließlich um Fußball. Was man in seinem Buch nicht oder nur am Rande findet, sind irgendwelche Botschaften, die mit dem Fußball nichts zu tun haben. Weisheiten, die man in anderen Biographien gerne findet, wie zum Beispiel „Was man vom Leistungssport für das Leben lernen kann“ oder dergleichen, braucht man in Cruyffs Buch nicht zu befürchten. Dafür findet man jede Menge tief durchdachter Gedanken dazu, wie der beste Fußball aussehen sollte, wie man Spieler trainiert und Vereine führt. Dass Cruyff zu Lebzeiten niemandem nach dem Munde geredet hat, häufig auf Unverständnis stieß und gegen Mauern anrennen musste, verwundert einen nicht, wenn man am Ende des Buches angelangt ist. Daher passt der Satz, mit dem Cruyff sein Buch beschließt: „Du bist so lange gestört, bis du ein Genie bist.“ Und das war Cruyff ohne Zweifel: ein Fußballgenie.

Roter-Reiter-Fazit: Dieses Buch ist ein MUSS für jeden echten Fußballfan. Aber auch für jeden, der im Verein als Trainer oder Manager Verantwortung übernommen hat. Denn von Cruyffs Ansichten, Anregungen und Errfahrungen kann man nur profitieren, auch wenn man sie nicht alle teilt. Aber es wäre fahrlässig, diese Chance nicht zu nutzen, von den Gedanken des Fußballgenies Johan Cruyff zu profitieren.

Damian Sicking, www.Roter-Reiter.de

Johan Cruyff: Mein Spiel. Droemer Knaur, 317 Seiten,19,99 Euro, ISBN: 3426276968

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