Pionier, Weltenbummler und Entdecker, das sind die freundlichen Bezeichnungen für Kolja Spöri, der mit Vorliebe die Krisengebiete der Welt abklappert. Die weniger beschönigenden lauten „verantwortungsloser Konflikttourist“ oder „angeberischer Macho-Traveller“. Ganz gleich, welche Perspektive der Leser im Zuge der spannenden Lektüre des Buches „Ich war überall“ einnimmt. Er wird Rucksack-Begleiter eines außergewöhnlichen Abenteurers, der die gefährlichsten und entlegensten Regionen der Welt bereist. Warum? Ganz einfach, „weil es sie gibt“. Der Autor kürzt das Motiv dahinter mit „LSD“ ab: „Luxus, Speed, Dangerzone“. Der Kick im Krisengebiet.

Bürgerkrieg und Armut

Haben Sie schon mal die Namen Transnistrien, Nachitschewan oder Karakalpakastan gehört? Vermutlich nicht. Weil selbst der Länderspielgel im TV nur in Ausnahmefällen und bei schlimmen Katastrophen über diese Krisengebiete im Dauerfeuer von Bürgerkriegen und zwischenstaatlichen Konflikten berichtet. Spöri war dort, meist nur ein paar Tage. Seine Reiseberichte aus den Regionen, vor deren Besuch das Auswärtige Amt dauerhaft warnt, sind persönliche Meilensteine in seiner Biographie als Krisentourist: „Ich war da, ich habe den Visums-Stempel im Pass, Ziel erreicht.“ Das war Sinn der Sache. Nicht die Reportage über die schlechten Lebensbedingungen.

Dorthin, wo keiner hinwill

Somalia, Afghanistan, Osttimor, Nordkorea und Haiti zählen zu den Destinationen – Ziele, die in keinem Reisekatalog zu finden sind. Dass Spöri dort die 5-Sterne-Hotels dem wilden Zelten im Dschungel vorgezogen hat, ist durchaus konsequent. Sein Buch widmet sich dem „wie komme ich hin“, nicht der Frage nach der sozialen und politischen Verantwortung des Westens in den Gebieten unvorstellbarer Gewalt („im Bauchbereich ein Schnitt, dann die Haut über den Kopf gezogen und zusammengebunden“) und Armut.

Keine Angst vor Russland

Frei von kritischen Untertönen sind seine Reiseberichte deswegen nicht. Ganz im Gegenteil. Spöris persönliche Erfahrungen stellen unser Weltbild vom „bösen Osten“ gehörig auf den Kopf. Die „tatsächlichen Zustände im Iran, Nordkorea oder Russland sind weit weniger schlimm, als wir zu glauben aufgefordert werden“. Und selbst die Taliban wird als vermeintlicher Heroin-Produzent Nummer eins angezweifelt, wenn der Autor feststellt, dass das einst „beliebte und schöne Touristenland“ unter eigener Regie „die Produktion des Schlafmohns fast auf null heruntergefahren hatte.“ Sieht heute leider wieder ganz anders aus …

Roter Reiter – Fazit: Spannend und authentisch berichtet Krisentourist Kolja Spöri von den gefährlichsten Regionen und „weißen Flecken“ der Erde. Sein Buch „Ich war überall“ stellt vielfach die vorherrschende Meinung über die guten Nationen und die Schurkenstaaten in Frage. Nicht nur aus diesem Grund ist das Buch lesenswert. Absolute Empfehlung!

Oliver Ibelshäuser, www.Roter-Reiter.de

 

Zum Buch: Kolja Spöri: „Ich war überall“, Plassen 2014