“Aber ins Heim gehe ich nicht” – wenn die Eltern Pflege brauchen

Irgendwie trifft es immer beide wie ein Schlag: die Eltern und ihre längst erwachsenen Kinder, wenn die Alten unverhofft die scheinbar einfachsten Aufgaben nicht mehr bewältigen können. Autofahren, einem Gespräch folgen, die Treppe heraufsteigen. Kurzum, wenn aus rüstigen Rentnern (“Golden Ager”) plötzlich Pflegefälle werden. Gedruckte Ratgeber zu Pflegestufen, Versicherungsleistungen und gesetzlichen Auflagen gibt es zuhauf. Sensible Dokumentationen der Erfahrungen und Empfindungen der Betroffenen nicht. Autorin Elke Worg füllt mit “Irgendwie kriegen wir das schon hin” diese Lücke. Ihr Buch ist kein Ratgeber im eigentlichen Sinne, sondern eine sanfte und gleichsam ehrliche Reportage über die Alten, die Hilfe brauchen und die (etwas) Jüngeren, die sie ihnen gewähren. Ein Protokoll der zwischenmenschlichen Begegnungen jenseits der ohnehin verpflichtenden Behördengänge.

Auf ein offenes Wort

Worg lässt in ihrem Buch Menschen sprechen, die den massiven Rollenwechsel als schmerzhaft erlebt und dennoch gemeistert haben, wenn “sie nicht mehr Halt bei den Eltern finden, sondern die Eltern Halt bei ihnen suchen.” Die Mixtur aus zeitlichen (“seit ich mit der Pflege begonnen hatte, gab es kein freies Wochenende mehr für mich”), finanziellen Belastungen und emotionalen Gratwanderungen (“Im Grunde brauche ich selbst eine Person, die mir unter die Arme greift”) wird in klaren, schonungslosen Worten beschrieben – ohne Anklagen oder Schuldzuweisungen.

Altern in Würde trotz Gebrechen

Altern ist, “wenn du keine Freude mehr am Leben hast. Dann wird das Licht immer dunkler für dich: Sonne, Mond und Sterne verfinstern sich, und nach einem Regenschauer ziehen die Wolken von Neuem auf.” So steht es in der Bibel (Salomo/Koheleth, 12, 1-8). Elke Worg führt dieses poetische und verstörende Zitat an, um auch für die Perspektive der Alten zu werben, die häufig ihre eigene Hilflosigkeit nicht mehr in Worte fassen können. Zuhören können wir aber dennoch. Genau darum geht es in dem Buch.

Roter Reiter Fazit: “Irgendwie kriegen wir das schon hin” ist eine beeindruckende Ehrerbietung an die zahllosen, “ehrenamtlichen” Pflegekräfte, die ihre Freizeit opfern, um den eigenen Eltern einen würdigen Lebensabend zu schenken: ehrlich, manchmal todtraurig, aber niemals hoffnungslos. Ein Plädoyer für eine menschlichere Gesellschaft, die das Alter(n) mit seinen Schattenseiten nicht länger ausblenden darf.

Oliver Ibelshäuser, www.Roter-Reiter.de

Elke Worg: “Irgendwie kriegen wir das schon hin”; Pattloch 2013

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