Es ist bequem, eigenes Ungemach auf die anderen oder auf die Umstände zu schieben. Aber grundfalsch und gefährlich.

Mal keinen Bock zu haben und lästige Pflichten auf morgen zu verschieben, ist völlig normal. Wenn die „Aufschieberitis“ aber chronisch wird und von Zorn oder Niedergeschlagenheit begleitet wird, heißt es: handeln! Denn unter der unbestimmten Wut auf andere (und sich selbst) leidet die Lebensqualität. Eine Abwärtsspirale. Wer unangenehme Aufgaben und Termine notorisch meidet, wird mit einem geringeren Selbstwertgefühl bestraft und riskiert den Verlust wichtiger Sozialkontakte. Der Psychologe Dr. Harlich H. Stavemann macht dafür die „geringe Frustrationstoleranz (GFT)“ verantwortlich und meint damit die „geringe Bereitschaft von Menschen, etwas zu ertragen, was sie für unangenehm und lästig halten“. Mit seinem kleinen und sehr direkten Buch legt er den Finger in die Wunde. Zeigt anhand vieler Fallgeschichten, wie leicht man sich im eigenen Schlamassel einrichten kann – und es dadurch immens vergrößert. Ein schonungsloser Ratgeber.

Eine geringe Frustrationstoleranz ist o.k., solange sie nicht krankhaft wird

Eine geringe Frustrationstoleranz zu haben, ist erst einmal ganz normal, liegt gar in unseren Genen begründet. Denn es war und ist überlebensnotwenig, die Energie nicht auf Dinge zu konzentrieren, die keinen Ertrag versprechen (Mammut zu schnell – ich lass ihn ziehen). Krankhaft und selbstschädigend wird eine zu geringe Frustrationstoleranz, wenn sie dahin führt, Dinge vorsichtshalber erst gar nicht auszuprobieren und anzupacken. Stavemann schildert hier die vergebliche Suche einer 35-jährigen Werbekauffrau nach dem Idealpartner. „Null-Verzicht-Junkies“ nennt er solche Leute, die lieber emotional verhungern, als irgendwelche „Nachteile“ in Kauf zu nehmen.

Wenn kurzfristige Gewinne zu langfristigen Nachteilen werden

Sehr übersichtlich stellt Stavemann die dahinterliegenden Strukturen vor. Zeigt, mit welchen meist unbewussten Bewertungssystemen wir arbeiten und welche Gefühlsreaktionen wir damit hervorrufen. Damit öffnet er die Tür, eingefahrene Verhaltensmuster erst zu erkennen und dann zu verändern. Plastisch illustriert am Fallbeispiel einer Klientin, die schon die dritte Kaffeepause hinter sich hat, bevor sie anfängt, sich an die Steuererklärung zu setzen. Und sich dann aus lauter Frust den nächsten Kaffee holt und anfängt, ein Kreuzworträtsel zu lösen. Das Problem: Wer unter einer geringen Frustrationstoleranz leidet, leidet nicht an den kurzfristigen Konsequenzen (es ist ja angenehmer, einen Kaffee zu trinken, als die Steuererklärung zu machen), sondern an den langfristigen (die Mahnung vom Finanzamt, das schlechte Gewissen am nächsten Wochenende …).

Nicht jeder findet allein aus der Sackgasse heraus

Und damit steigt Dr. Harlich H. Stavemann in die schwierigste Phase ein. Denn jetzt geht es darum, Ziele zu formulieren, die zu einem langfristig „gesunden“ Konzept führen. Als Vertreter der kognitiven Verhaltenstherapie setzt der Psychologe darauf, neue mentale Konzepte zu entwickeln und sie umzusetzen. Die schwierigste Übung! Hartgesottenen Fällen empfiehlt Stavemann deshalb auch gleich, sich professionell von Therapeuten begleiten zu lassen. Wer es auf eigene Faust probieren will, kann die zum Teil recht brachialen Belohnungs- und Bestrafungsübungen an sich selbst durchexerzieren. Kein Spaß, aber mit der zumindest vagen Aussicht, die Dinge nachher besser geregelt zu kriegen. Und gut dafür, einen analytischen Blick auf das eigene Verhalten zu werfen.

Roter-Reiter.de – Fazit: Kann man mithilfe eines Buches selbstschädigendes Verhalten loswerden? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Sicher ist aber: wer sich von der hier beschriebenen Thematik angesprochen fühlt, sich gar wiedererkennt, tut gut daran, sich näher mit seinen Lebens-, Denk- und Verhaltensmustern auseinanderzusetzen. Es ist der erste Schritt auf dem meist mühsamen Weg, einen neuen Blick auf sich und die Welt zu werfen. Aber es ist auch ein Weg, den zu gehen es sich lohnt.

Rezensent: Wolfgang Hanfstein, www. Roter-Reiter.de

Harlich H. Stavemann: Frustkiller und Schweinehundbesieger. Belz 2013

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