„Geiz ist…“ – völlig daneben!

T-Shirt und Jeans bei H&M zusammen für gerade mal 40 Euro. Das in Folie verschweißte Hähnchen aus der Frischetheke bei Lidl für rund 3 Euro: Die Deutschen haben die „Geiz ist geil“-Mentalität längst verinnerlicht. Jedes Schnäppchen eine Trophäe der aktuellen Shopping-Tour. Die Zeche dafür zahlen andere. 12jährige Näherinnen in Bangladesch, die 28 Euro Monatslohn erhalten. Kleinbauern, deren Existenz von Massenfleischfabriken dauerhaft zerstört wird. Und die Umwelt sowieso, wenn eine Jeans weltweit 50 mal Station macht, bevor sie gefärbt, geglättet und mit schicken Accessoires versehen im eigenen Kleiderschrank landet.

Billiger geht immer

In seinem aufklärenden Buch „Billig kommt uns teuer zu stehen“ blickt Franz Kotteder kritisch hinter die Kulissen des heiß umkämpften Dumping-Marktes, der nur funktionieren kann, weil „seine wahren Kosten erst einmal verborgen blieben.“ Ein Aspekt ist die schlechte Qualität. Das Schnitzel, das in der Pfanne so viel Wasser freisetzt, dass ein mickriger, zäher Klumpen Fleisch zurückbleibt. Das Sweatshirt, das nach dem ersten Waschen Form und Farbe verliert: „Es gibt kaum etwas auf der Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen und ein wenig billiger verkaufen könnte.“

Guten Appetit beim Gammelfleisch

Schwerwiegende Anklagen richtet Kotteder an die Fleischproduktion und die Textilindustrie . Gammelfleisch, falsch deklarierte Zutaten auf Fertiggerichten und Medikamente in Hühnerfleisch sind längst keine Ausnahme mehr. Und auch kein Zufall. Kotteder weist in der Fleischproduktion ein international agierendes Netz aus Subunternehmer-Geschäften nach, das sich einen feuchten Kehricht um Tierschutz, Qualität und Verbraucherrechte kümmert. Nur der Profit zählt, und da ist der „Weg vom Drogenhandel zum Fleischhandel gar nicht so weit.“

10 Cent Lohnkosten (höchstens)

Ungeschönt berichtet der Autor davon, wie Aldi, Lidl, H&M, C&A und Kik über Jahrzehnte hinweg das Ausbeutersystem der menschunwürdigen Textilfabriken in Südostasien gestützt haben. Wo selbst für Kinder „12- 15 Stunden Schichten normal sind – bis zu sieben Tage die Woche“. Die 1100 Toten der Brandkatastrophe von Rana Plaza in Bangladesch gelten noch immer als erschütterndes Zeugnis der Arbeitsbedingungen in diesem Land. Zwar haben einige Marken und Handelsketten wie Rewe, Benetton und Aldi ein Sicherheitsabkommen für die Produktionsstätten unterzeichnet, an dem Alltag der Arbeiterinnen wird sich aber kaum etwas ändern: „Bei einem T-Shirt von H&M, das zum Preis von 9,90 Euro angeboten wird, betragen die Lohnkosten gerade mal 10 Cent, wenn es hoch kommt.“

Roter Reiter-Fazit: „Billig geht uns alle an“ ist ein aufrüttelndes, schockierendes Buch über die Schattenseiten der Dumpingpreise, über die kein Kassenzettel und kein Waschetikett im Innenfutter der Jacke informiert. Mit dem Wissen um mindere Qualität, Betrug und Ausbeutung werden Sie künftig anders einkaufen und um viele Super-Schnäppchen einen Bogen machen. „Wir Verbraucher sind die größte Wirtschaftsmacht überhaupt“ schreib Kotteder. Wäre schön, wenn wir mit diesem Bewusstsein unseren Einkaufswagen beim nächsten Mal durch die Discounter-Regale schieben.

Oliver Ibelshäuser www.roter-reiter.de

Fran Kotteder: „Billig kommt uns teuer zu stehen“; Ludwig 2013

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