1985, also vor 32 Jahren, erschien der Bestseller „Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie“ von Neil Postman. Der amerikanische Kommunikationswissenschaftler kritisierte in dem weltweit diskutierten Buch die Massenmedien und das Medienverhalten der Menschen, insbesondere den Fernsehkonsum. Das neue Buch von Gunter Dueck „Flachsinn. Ich habe Hirn, holt mich hier raus“ ist so etwas wie die aktualisierte Neuauflage des Postmanschen Bestsellers. Was für Postman damals das Fernsehen, ist für Dueck heute das Internet.

Flachsinnsspirale mit Niveauatrophie

Fernsehen, so lautet ein bekannter Satz, macht kluge Menschen klüger und dumme Menschen dümmer. Soll heißen: Die klugen Menschen suchen sich im TV-Angebot jene Sendungen aus, die sie weiterbringen. Dadurch werden sie noch klüger. Die Dummen und Bequemen lassen sich berieseln. Sie werden dadurch noch dümmer. Für das Internet gilt das gleiche. Mit einem wichtigen Unterschied. Das Kluge und Wichtige hat es heute noch schwerer, zu uns durchzudringen, sagt Dueck. Denn es gibt einfach zu viel Müll im Netz. „Unter dem massenhaften Flachsinn im Netz verblasst das Wichtige und Ernsthafte“, schreibt er. Alles buhlt um unsere Aufmerksamkeit und tut so, als wäre es wichtig. Auch der hanebüchenste Unsinn geriert sich als ewige Wahrheit. Wir blicken nicht mehr durch. Und nicht nur hat es das Schöne, Gute, Wahre schwer, zu uns durchzudringen. Auch wir selbst müssen, um im Netz gehört zu werden, immer lauter, immer schriller, immer plakativer agieren, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Wir dürfen vorstellen: eine Flachsinnsspirale mit Niveauatrophie.

Neue Art der Intelligenz nötig – wo sind die Intellektuellen?

Die Intellektuellen sind momentan keine Hilfe. Sie gefallen sich darin, alles Digitale pauschal abzulehnen. Sie leben in einer „selbst gewählten Digital-Isolation“. Doch das ist keine Lösung. Denn: „Das Internet geht nicht mehr weg.“ Dueck fordert daher ein „Culture Valley“, eine „neue Kultur des Tiefsinns“: „Wir müssen eine Art neuer Intelligenz in uns ausbilden, die erkennt, was Aufmerksamkeit auf sich zieht und was sie verdient.“ Dueck ruft alle, insbesondere die Intellektuellen, dazu auf, sich aus der selbstgewählten Filterblase zu befreien und „sich an der Schaffung einer guten neuen Zeit zu beteiligen“. Dueck hat keine fertige Lösung parat, er wünscht sich eine breite Diskussion darüber. Einen Vorschlag wirft er aber schon einmal in die Runde: Zentraler Baustein seiner Idee des „Culture Valley“ ist der freie und unbeschränkte Zugang zu allen Bildungs- und Kulturgütern im Internet. Weisheit für alle!

Roter-Reiter-Fazit: Mit „Flachsinn“ ist Gunter Dueck erneut ein ungemein inspirierendes, nachdenkliches und zugleich auch streckenweise witziges Buch gelungen. Vor allem aber ist es eins: ein wichtiges Buch.

Damian Sicking, www.Roter-Reiter.de

Gunter Dueck: Flachsinn. Ich habe Hirn, ich will hier raus. Campus. 262 Seiten, 24,95 Euro, ISBN: 3593505177

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